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4.3.: kulturpolitik aktuell +++ öffentlich rechtlicher rundfunk

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Blauer Brief aus Brüssel - EU-Kommission fordert mehr Transparenz bei Rundfunkgebühren - Sender und Weiss setzen auf Gespräche +++ SPD macht Länderchefs für Druck auf ARD und ZDF verantwortlich +++ Journalistenverband sieht duales Rundfunksystem durch EU gefährdet


Blauer Brief aus Brüssel - EU-Kommission fordert mehr Transparenz bei Rundfunkgebühren - Sender und Weiss setzen auf Gespräche
Berlin (ddp). Im Streit um die Verwendung der Rundfunkgebühren von ARD und ZDF macht die Europäische Kommission Druck auf Deutschland. Die Brüsseler Behörde forderte am Donnerstag von der Bundesregierung umfassende Änderungen an der Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes kritisierte vor allem eine ihrer Meinung nach mangelnde Transparenz. Aktivitäten zum Beispiel im Internet könnten nicht mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunkauftrag zur Grundversorgung vereinbar seien, hieß es. Ein entsprechendes Schreiben ging an die Bundesregierung ebenso wie an Irland und die Niederlande.

ARD und ZDF wehrten sich gegen die Kritik, zeigten sich aber auch bereit zu weiteren Gesprächen. Beide Sender begrüßten zugleich, dass Brüssel die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten bestätigt habe, öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu organisieren und zu finanzieren.

Die für Medien zuständige Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos), sagte, die in dem Schreiben angesprochenen Themen würden jetzt von den zuständigen Ländern geprüft. Sie werde sich weiter für das Fortbestehen der dualen Rundfunkordnung einsetzen. Sie sei sich mit den Verantwortlichen in den Ländern einig, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk gerade auch im Onlinebereich präsent sein müsse, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Länder würden bereits in der nächsten Woche gemeinsam mit dem Bund Gespräche mit dem zuständigen Generaldirektor der Europäischen Kommission, Philip Lowe, führen.

Der Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) betonte, das Schreiben bestätige seine Kritik, dass die Gebühren-Verwendung mit dem EU-Wettbewerbsrecht so nicht vereinbar sei. Der VPRT sowie der Pay-TV-Sender Premiere hatten in Brüssel Beschwerde gegen das Finanzgebaren von ARD und ZDF eingelegt. Der VPRT beklagte vor allem, dass die beiden Sender mit den Gebühren kommerzielle Interessen mit ihren Online-Aktivitäten verfolgten.

«Nach Prüfung der Behauptungen verschiedener Beschwerdeführer ist die Kommission zu der vorläufigen Auffassung gelangt, dass das gegenwärtige Finanzierungssystem in diesen Mitgliedsstaaten nicht mehr im Einklang mit Artikel 87 des EG-Vertrages steht, wonach die Mitgliedsstaaten keine den Wettbewerb verfälschenden Beihilfen gewähren dürfen», hieß es in Brüssel. Die drei Länder müssten die «für die Bewertung der Verhältnismäßigkeit der öffentlichen Finanzierung erforderliche Transparenz herstellen und Quersubventionen für Tätigkeiten vermeiden, die in keinem Zusammenhang mit dem Grundversorgungsauftrag stehen.»

ARD-Vorsitzender Thomas Gruber betonte, der seit vielen Jahren existierende Dissens zwischen Deutschland und der Kommission darüber, ob die Rundfunkgebühr überhaupt eine Beihilfe darstelle, werde solange fortbestehen, bis es dazu ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs gebe. Die ARD habe viele ihrer gewerblichen Tätigkeiten in selbstständige Tochtergesellschaften ausgelagert und gehe sogar über die EU-Anforderungen für eine getrennte Buchführung hinaus.

ZDF-Intendant Markus Schächter sagte, Finanzierung und Haushaltführung des ZDF seien schon jetzt transparent. Das Online-Angebot des ZDF sei gesetzlich ausreichend geregelt. E-Commerce, Werbung und Sponsoring gebe es nicht.

Der Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD), die Länder würden nun unter Einbeziehung der Rundfunkanstalten das Schreiben bewerten und eine Stellungnahme abstimmen.

Nathalie Waehlisch


SPD macht Länderchefs für Druck auf ARD und ZDF verantwortlich
Berlin (ddp). Im Streit zwischen den Öffentlich-Rechtlichen und den Brüsseler Wettbewerbshütern um Internetangebote und Gebührenfinanzierung hat der SPD-Medienexperte Jörg Tauss die Regierungschefs der Bundesländer scharf angegriffen. Wenn ARD und ZDF mit Brüssel Schwierigkeiten bekämen, sei das «im Wesentlichen auf das Versagen der Ministerpräsidenten» bei der Festsetzung der Rundfunkgebühren zurückzuführen, sagte er am Freitag der Netzeitung.

Tauss kritisierte, dass die Länderchefs die empfohlene Gebührenerhöhung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs von ARD und ZDF (KEF) «ignoriert» hätten. Dies sei «nicht ganz unproblematisch», weil sie aus Sicht der EU-Wettbewerbskommission auf diese Weise «deutlich gemacht haben, dass Staatsferne nicht besteht». Tauss bezeichnete das Verhalten der Ministerpräsidenten als verfassungswidrig. Sie hätten in die Unabhängigkeit und Selbstverwaltung der öffentlich-rechtlichen Sender eingegriffen.

Gleichwohl sicherte Tauss den Rundfunkanstalten die Unterstützung der SPD gegen Pläne der EU zu, die Rundfunkgebühr als staatliche Beihilfe einzustufen. Die Finanzierung von ARD und ZDF durch Rundfunkgebühren habe «nichts mit Beihilfe oder unzulässiger Subvention» zu tun, sagte Tauss.


Journalistenverband sieht duales Rundfunksystem durch EU gefährdet
Berlin (ddp). Der Deutsche Journalisten-Verband weist die Kritik der EU-Kommission an der Verwendung der Rundfunkgebühren in Deutschland zurück. Die Zuständigkeit der Europäischen Union in dieser Sache sei fraglich und die Kritik der Kommission ungerechtfertigt, sagte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken am Donnerstag in Berlin. «Die Dienstleistungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind keine freie Ware, sondern eine unersetzliche Basis für grundgesetzlich geschützte Güter wie die Informations- und Meinungsfreiheit», betonte er.
Medienberichten zufolge sollen ARD und ZDF nach dem Willen von EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes ihre Internet-Aktivitäten einschränken. Die Kartellwächterin habe Zweifel geäußert, ob bestimmte elektronische Geschäftsfelder der Sender wie e-Shops und Mobilfunkdienste noch mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunkauftrag zu vereinbaren seien. Die Kommission wollte am Donnerstag den deutschen Behörden ein 60 Seiten starkes Schreiben zuschicken. Kroes bekräftige darin, dass es sich bei den Rundfunkgebühren um Beihilfen handele. ARD und ZDF würden aufgefordert, die Transparenzregeln zu verbessern und klar zwischen Rundfunk und gewerblichen Aktivitäten zu trennen.
«Die Forderungen nach getrennter Buchführung und einer Reduzierung des Internetauftritts greifen in die Freiheit der Sender ein", kritisierte Konken. Die Bundesregierung müsse in ihrer Stellungnahme zudem deutlich darauf hinweisen, dass das Thema Rundfunk im Kompetenzbereich der Bundesländer liege und die Überprüfung durch die EU ein Zeichen für einen schleichenden Entmachtungsprozess sei.