Die Neugründung des Deutschen Komponistenverbandes im Jahr 1954 sollte vor allem ein symbolisches Zeichen sein für die grundsätzliche Erneuerung dieser berufsständischen Organisation nach den politischen und kriegerischen Katastrophen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Denn schon lange vorher, noch im wilhelminischen Kaiserreich, wurde im Herbst 1898 in Leipzig die erste Vereinigung deutscher Komponisten ins Leben gerufen. Zuvor hatte Richard Strauss in einem Rundschreiben und im Namen berühmter Kollegen wie Eugen d’Albert, Engelbert Humperdink, Max von Schillings, Gustav Mahler, Friedrich Rösch und Hans Sommer zur Gründung einer komponisteneigenen – verlegerfreien – Interessenvertretung aufgerufen: „Zweck und Aufgabe dieses Autorenverbandes wäre einzig und alleine eine wirksame genossenschaftliche Wahrnehmung aller musikalischen Urheberrechte und der damit verknüpften Standesinteressen.“ So konstituierte sich der älteste Vorläufer unseres heutigen Verbandes, die „Genossenschaft Deutscher Componisten“. Aber bereits 1903 wurde dieser Name auf Wunsch von Richard Strauss – „...von dem banausischen und nichts sagenden Fremdwort ‚Componist’ endgültig Abstand nehmen...“ – in „Genossenschaft Deutscher Tonsetzer“ (GDT) umgewandelt.
Als sich nach der völligen Niederlage Deutschlands 1945 aus den Trümmern wieder zaghaft ein neues Kulturleben zu regen begann, gründeten sich auch wieder verschiedene Komponistenverbände in München, in Berlin und schließlich getrennt in west- und ostdeutsche Organisationen.
Diese in der Folge kompliziert verschlungenen Pfade dieser berufsständischen Organisationen aufzuzeichnen mag der Musikgeschichtswissenschaft vorbehalten bleiben. Als Jubiläum interessiert nur das Jahr 1954, als nämlich der heutige Gesamt-„Deutsche Komponistenverband“ seine Gründungsversammlung abhielt.
Zwar blieb die von Richard Strauss vorgegebene Zielsetzung, die gemeinsame Wahrnehmung aller musikalischen Urheberrechte als Hauptaufgabe, wurde aber erweitert und den heutigen Gegebenheiten angepasst. So kann jedes Mitglied bei dem Verbandsjustiziar Wilhelm Nordemann eine kostenlose Erstberatung in Fragen des Urheber- und Verlagsrechts einholen; jedem Mitglied sind Musterverträge aus den Bereichen U- und E-Musik zugänglich; in persönlichen Notfällen sind durch die verbandseigenen Stiftungen begrenzte finanzielle Unterstützung möglich; die Informationen des DKV enthalten nicht nur Hinweise auf Kompositionswettbewerbe, sie berichten außerdem für Komponisten Wissenswertes aus dem Musikleben wie zum Beispiel über Uraufführungen der Mitglieder; auf der Homepage des DKV wird jedes Mitglied mit detaillierten Informationen zur Person (Foto) und seinem Werk auf einer standardisierten Seite vorgestellt; es würde den hier vorgegebenen Rahmen sprengen, alle Aktivitäten des Verbands, der einzelnen Arbeitsgruppen und so weiter aufzuzählen.
So wie im Verlaufe des 20. Jahrhunderts durch die Weiterentwicklung unserer Wissenschaft und Technik immer neue Berufe entstanden, andere wieder fast lautlos verschwanden, so veränderten sich nicht nur das Berufsbild des Komponisten, sondern auch die Ergebnisse seiner Arbeiten. Der romantische Geniekult vergangener Epochen verwandelte sich zum Teil in ökonomischen Pragmatismus, gemäß unserer computerisierten Gegenwart mit ihrer oft unkünstlerischen, aber marktschreierisch, alles beherrschenden Medienwelt.
Trotzdem sucht jede Generation ihr eigenes musikalisches Daseinsmuster. In der E-Musik drückt sich diese Suche nach der verlorenen Schönheit, nach einer dämonisch-erotischen Vitalität oder vielleicht einem distanziert, coolen Hörerlebnis in musikalisch-ästhetisch neuen, oft interessanten Klangphänomenen aus, bleibt aber doch noch häufiger in schlichten romantischen Rückblenden hängen oder verirrt sich gar in eklektizistischen, auch elektronischen Stilübungen, ohne durch eigene Originalität zu fesseln. Wozu auch, die Mehrzahl der Hörer liebt ohnehin den historischen Mainstream.
In der U-Musik schreitet die Aufsplitterung, man kann schon von Diversifizierung sprechen, unaufhaltsam voran. Ethnologische wie folkloristische Elemente überlagern sich in eleganten elektronisch-technischen Aufbereitungen, der Kenner verliert die Übersicht, den Käufer verwirrt die sich ständig ändernde kaleidoskopartige Vielfalt, die Musikindustrie klagt über Umsatzeinbrüche. Allerdings ohne zu erkennen, dass die Probleme im offensichtlichen Mangel ihres musikästhetischen Gespürs liegen, diagnostizieren sie als alleinige Ursache ihrer zehrenden Schwindsucht ausschließlich die Internettauschbörsen und den privaten CD-Brenner.
Der Jazz als exotisch-vitales Gewächs zwischen den Polen U- und E-Musik nimmt Anleihen von beiden Seiten und bleibt so immer wieder interessant, nicht nur wegen seines irrealen Metrums. Die Unmittelbarkeit der solistischen Improvisationen, die sprühenden, variablen Rhythmen und in größeren Formationen die harmonisch wie stilistisch oft interessanten Instrumentierungen faszinieren jede Generation erneut. Freilich bleibt die ernsthaft interessierte Zielgruppe so überschaubar wie bei der Neuen Musik. Dabei verändern sich auch hier die Hörerzahlen ständig. Sie sind so wenig wie in den anderen genannten Musikbereichen genau zu verifizieren, im Gegensatz zum Politbarometer oder den Publikumsquoten im Fernsehen.
Jedes künstlerische Schaffen ist ein Versuch, sich von der Realität zu distanzieren, um sich der eigenen Realität auf schöpferischem Wege zu nähern. Wird die musikalische Chiffrierung dabei jedoch zu weit getrieben, verliert sogar der willige, nicht konservative Hörer den Zugang zum Werk. Dadurch und noch mehr durch die Forderung unserer sinnentleerten Spaßgesellschaft nach permanenter Unterhaltung auf verständlichster Ebene verblasst der Strahlenglanz unseres Berufes, auch wird sein Ethos brüchig, so wie die moralischen Grundlagen unserer postindustriellen Gesellschaft. Der inzwischen gefestigte Glaube an die Leichtigkeit des Seins treibt wie zur eigenen Rechtfertigung die Boulevardisierung unserer Kultur weiter voran. Die interessanten Beiträge im anspruchsvollen deutschen Feuilleton sind auf Film und Literatur konzentriert. Über Popmusik wird nur unterhaltend berichtet. Mit dem allgemeinen Trend zum musikalischen Analphabetentum hat man sich offensichtlich abgefunden – von Ausnahmen abgesehen.
Sollte sich in unserem Verband der immer wieder beschworene kollegiale Konsens den äußeren gesellschaftlichen Zuständen folgend in einen erbarmungslosen Konkurrenzkampf innerhalb der verschiedenen musikalischen Gattungen auflösen, werden wir nicht nur uns selbst schaden, sondern auch das öffentliche Ansehen unseres Berufes herabwürdigen. Den Widerspruch zwischen künstlerischem Auftrag und wirtschaftlichen Realitäten erträglich zu lösen, sich in der Gemeinschaft mit ähnlich Gesinnten abzustimmen, bleibt neben dem Schutz der urheberrechtlichen Ansprüche ein wesentliches Anliegen der Mitglieder an unseren Verband. All dem gerecht zu werden, bei der zunehmenden Aufsplitterung in immer neue, verschiedenartige musikalische Gattungen, deren wirtschaftliche Interessen gelegentlich fast diametral zueinander stehen, ist die schwierigste Aufgabe für den Deutschen Komponistenverband in den kommenden Jahren. Sie gemeinsam zu lösen, muss unser aller Interesse sein, denn von außen ist keine Hilfe zu erwarten. Darum sind der kollegiale Zusammenhalt ebenso wie die Arbeitsaufteilung in die verschiedenen musikalischen Sektoren die wichtigsten Aufgaben, denen wir uns unmittelbar und in der Zukunft stellen müssen.
Kollegialer Zusammenhalt ist auch deshalb so wichtig, weil unserem Berufsstand neue Gefahren von außen drohen, wie das aktuelle Beispiel mit der Deutschen Landesgruppe IFPI (International Federation of Phonographic Industry) zeigt. Diese senkte den Urheber-Lizenzsatz für Tonträger ab 1. Januar 2004 von 9,009 Prozent des Herstellerabgabepreises auf 5,6 Prozent – ohne Vertragsabsprache mit der die Urheber vertretenden GEMA. Den Komponisten werden plötzlich und willkürlich 40 Prozent ihres bisherigen Einkommens vorenthalten. Solchen Vorgängen ist der einzelne Urheber schutzlos ausgeliefert, zumal die Erfahrungen uns lehren, dass sich Gerichtsverfahren über Jahre hinziehen können. Hier muss der Deutsche Komponistenverband Stärke beweisen und darf dabei grundsätzlich nicht trennen zwischen Komponisten, Popspezialisten oder Composers, er soll vielmehr die Interessen aller Musikautoren jeden Genres wahrnehmen und diese gegenüber einer kleinmütigen Kulturpolitik oder der nur monetaristisch handelnden Industrie entschlossen und redlich vertreten.