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Baglama für alle – nur wann?

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„Musikalische Bildung und Interkultur“ – Ein Fachgespräch im NRW-Landtag
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Düsseldorf, 19. Mai. – Der größte runde Tisch Nordrhein-Westfalens steht im Landtag. Eine gute Adresse, um dort 80 Fachleute der musikalischen Bildung zu einem „Fachgespräch“ über „Musikalische Bildung und Interkultur“ zu versammeln. Was bei Zusammenkünften wie diesen nicht immer und unbedingt gelten muss – in diesem Fall gab es tatsächlich Gesprächsbedarf, so zumindest die Einschätzung von Christian Esch. Für den Leiter des einladenden NRW KULTURsekretariats steht schon seit langem fest, dass die Wahrnehmung der Musikkulturen der Einwanderer und Migranten verbesserungsbedürftig ist. Vor allem seitens der (kultur)politischen Entscheidungsträger, meint Esch, weshalb die Standortwahl auch nicht ohne Hintergedanken erfolgt war. Drei Arbeitsgruppen- und zwei Plenumssitzungen weiter, konnte das von WDR3-Musikchef Werner Wittersheim moderierte Treffen seine Empfehlungen dem Vorsitzenden des Landtags-Kulturausschusses gleich höchstpersönlich zur Kenntnis bringen.

Was die Insider aus den Musikschulen längst wissen, weil sie es an ihren Anmeldezahlen spüren und weil sie ihr Ohr an der Basis haben, ist an den Musikhochschulen, ist im Curriculum musikpädagogischer Ausbildung und in staatlichen Prüfungsordnungen noch nicht richtig angekommen. Noch immer genießt beispielsweise die Baglama, die anatolische Langhalslaute, den zwiespältigen Ruf der „Exotik“. Da ist die Wirklichkeit schon längst einen Schritt weiter. In Nordrhein-Westfalen, so die Einschätzung des NRW KULTURsekretariats, dürfte es einige Dutzend türkische, respektive kurdische Experten geben, die das Instrument unterrichten. Dies nicht zuletzt dank der Initiative des NRW KULTURsekretariats, sodass seit einer Reihe von Jahren an vielen NRW-Musikschulen erstmals ein qualifizierter Unterricht auf der Baglama möglich geworden ist: „Baglama für alle!“

Hintergrund: Viele Einwanderer-Eltern sehen es gern, wenn ihre Kinder ohne große Ansprüche ein paar Volkslieder spielen lernen, um so ihre Bindung an die Heimat, an ihre Identität zu pflegen. Sobald Baglama-Spieler jedoch ihr Instrument hinreichend ernst nehmen, sobald sie es zum Zentrum ihres Berufes machen möchten, haben sie ein Problem. Eine Berufsausbildung als Baglama-Spieler oder -Lehrer ist hierzulande nicht vorgesehen. Nicht einmal als Wahlpflicht-Instrument in der Musiklehrer­ausbildung wird das Instrument an deutschen Musikhochschulen anerkannt. Dabei ist die Baglama, die es auch in elektrisch verstärkter Ausführung gibt, ausgesprochen beliebt. Namhafte Baglama-Spieler aus der Türkei konzertieren regelmäßig in NRW – dann jedoch zumeist im Rahmen von Vereinsveranstaltungen. Nicht wenige Musiker und auch ein wachsender Teil des Publikums stoßen sich daran, beklagen eine unkonzentrierte Situation derartiger Abendunterhaltungen, die eher an feucht-fröhliche Hochzeitsfeiern erinnern. Künstlerisch anspruchsvolle Baglama-Konzerte hingegen sind hierzulande – anders als in der Türkei – selten.

Kurz: Die Relevanz des großen runden Tischs im NRW-Landtag lag für alle Beteiligten auf der Hand. Auch wenn sich manche Musikschulvertreter schwer taten mit dem politisch korrekten Vokabular – soll, muss man „ethnische Instrumente“ sagen? – ,Einigkeit herrschte in der Notwendigkeit, dass sich etwas bewegen muss: neue Angebote der Hochschulen zur Qualifikation von Lehrkräften für Instrumente der Weltmusik unter Einhaltung künstlerischer und pädagogischer Qualitätsstandards sowie Unterstützung aus Mitteln des Sozialetats für diejenigen kommunalen Musikschulen, die ihre Unterrichtsangebote ausweiten möchten.

Ob und wann sich etwas bewegen wird in Sachen Baglama und anderer Instrumente der Weltmusik, ist trotz solcher nun ausgesprochenen „Empfehlungen“ nicht abzusehen. Denn – gut (politisch) Ding will Weile haben. Sprich: Fritz Behrens, Vorsitzender des Kulturausschusses des NRW-Landtags, „regte an“, die hochschulrelevanten Ergebnisse „zunächst“ in den neu gebildeten Kunsthochschulbeirat des Landtags „einzubringen“, wo sie dann einer „eingehenden Prüfung“ unterzogen werden könnten und sollten. So manche Fragen und Lösungsansätze bedürften noch der „Besprechung“ in der Kulturabteilung der Staatskanzlei, des Wissenschaftsministeriums, ferner des Ministeriums mit den Betroffenen, weshalb „zunächst“ die Bildung einer „interministeriellen Arbeitsgruppe“ als „Gesprächs­partner“ als „sinnvoll“ empfohlen wurde. Den großen runden Tisch dazu hat man ja schon.

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