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Berlin: Umstrittenes Verhalten von Kultursenator Flierl

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Flierl unter Druck - SPD kritisiert Management des PDS-Senators bei Berliner Symphonikern - PDS: «Billige Polemik»

Berlin (ddp-bln). Im Streit um das Aus der Berliner Symphoniker gerät Kultursenator Thomas Flierl (PDS) immer stärker unter Druck. Erstmals wird der PDS-Politiker jetzt auch öffentlich vom Koalitionspartner SPD attackiert. Fraktionschef Michael Müller fordert von ihm ein klares Wort zur Zukunft des Orchesters. Auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) geht zum Kultursenator auf Distanz. PDS-Kulturexperte Wolfgang Brauer weist die Angriffe als «billige Polemik» zurück. Die betroffenen Musiker mutmaßen indes, dass Flierl nur Scheinverhandlungen zur Rettung des Orchesters geführt hat.

Das Aus der Symphoniker ist de facto besiegelt, nachdem der parlamentarische Hauptausschuss am Mittwoch keinen Beschluss zur Rettung des Klangkörpers gefasst hat. Damit entfallen ab 2005 wie in dem am Donnerstag zur Abstimmung stehenden Etatentwurf geplant die staatlichen Zuschüsse. Während 3,2 Millionen Euro pro Jahr notwendig wären, hatte eine Vereinbarung über den Gehaltsverzicht mehrerer Orchester zu Gunsten der Symphoniker nur eine Summe von 1,2 Millionen Euro erbracht. «Wir sehen uns außer Stande, die fehlenden Gelder an anderer Stelle im Gesamtetat einzusparen», sagte PDS-Haushaltsexperte Carl Wechselberg.

Wowereit verteidigte im Abgeordnetenhaus die Streichung der Mittel als «schmerzliche, aber notwendige Strukturentscheidung», die wegen der Haushaltslage und der Klage Berlins vor dem Bundesverfassungsgericht erforderlich sei. Zugleich missbilligte er Äußerungen Flierls, der die Solidaritätsofferte anderer Orchester gelobt und die endgültige Entscheidung dem Parlament zugewiesen hatte. Er könne diese Darstellung «nicht gut heißen», sagte der Regierungschef. Es habe sich um «kein haltbares Angebot» gehandelt, weil es die vorhandene Lücke nur zu einem Bruchteil geschlossen hätte.

Höchst verärgert über Flierl zeigt sich auch die SPD-Fraktion. «Das unwürdige Gezerre muss umgehend beendet werden», forderte deren Vorsitzender Michael Müller, der das Verhandlungsergebnis als «sehr mager» kritisierte. Flierl solle erklären, ob er noch Spielraum für einen höheren Solidarbeitrag anderer Orchester sehe, um die fehlenden Mittel aufzubringen. Wenn dies nicht der Fall sei, müsse der Senator «eindeutig sagen», dass es keine Möglichkeit zur Finanzierung der Symphoniker gebe, betonte der SPD-Politiker. Es gehe jedenfalls nicht an, die Verantwortung für die Entscheidung einfach dem Parlament zuzuweisen.

Für die betroffenen Musiker drängt sich indes der Verdacht auf, dass Flierl nur zum Schein über einen Erhalt des Orchesters verhandelt habe. Der Senator habe bei den Gesprächen der Tarifpartner mitgeteilt, dass die fehlende Summe aus dem Hauptausschuss komme, sagte Intendant Jochen Thärichen unter Berufung auf «gut unterrichtete Kreise». Nachdem dies nicht geschehen sei, versuche die Koalition «in Geheimabsprachen» noch vor der Verabschiedung des Haushalts und an den Parlamentariern vorbei «vollendete Tatsachen zu schaffen und das Orchester abzuwickeln». Thärichen forderte die Fortsetzung der Tarifverhandlungen, um die Symphoniker dauerhaft zu sichern.

Nachverhandlungen hält PDS-Kulturexperte Wolfgang Brauer dagegen für «unsinnig». Zugleich räumt er ein, keine Lösung des Finanzproblems im Kulturetat zu sehen. Wenn überhaupt könne die Summe höchstens aus dem Gesamthaushalt aufgebracht werden. Zugleich verwahrte sich Brauer gegen die «billige Polemik» der Sozialdemokraten gegen Flierl. Der Senat habe den Beschluss zur Streichung der Zuschüsse für die Symphoniker einstimmig gefasst und sollte deshalb auch mit einer Stimme sprechen, forderte der PDS-Politiker.

Die Grünen kritisieren die Entscheidung von Rot-Rot als «kulturpolitischen Frevel». Damit verwüste die Koalition Berlins Kulturlandschaft, sagte Kulturexpertin Alice Ströver. Zugleich wirft sie dem Senat Arroganz vor, weil er das Solidarangebot der anderen Orchester ignoriert habe.

Christina Schultze