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Eine mit Spannung erwartete Weimarer Tagung zum Thema Beutekunst ist überraschend abgesetzt worden. Die Universität Jena begründete die Entscheidung gestern mit der kurzfristigen Absage vieler Teilnehmer und Referenten deutscher staatlicher Institutionen.
"Damit ist die Tagung am Freitag und Samstag sinnlos geworden", sagte der Jenaer Rechtsprofessor Olaf Werner. Bei dem Treffen hätte die Funktionsweise einer gemeinsamen deutsch-russischen Stiftung vorgestellt werden sollen, die den Streit zwischen den zwei Staaten über Beutekunst im Zweiten Weltkrieg entschärfen soll.Werner sagte, sämtliche Absagen seien mit kurzfristigen anderen Terminen begründet worden. Vertreter russischer Stellen wie des Kulturministeriums hätten dagegen nicht abgesagt.
Das umstrittene russische Beutekunst-Gesetz erklärt die 1945 auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht verschleppten deutschen Kulturgüter zu russischem Eigentum. Nach Ansicht der deutschen Regierung widerspricht das Gesetz internationalem Recht.
Quelle: orf
Zur Vorgeschichte:
Mit einer deutsch-russischen Stiftung kann nach Ansicht des Jenaer Juristen Olaf Werner das Problem der Beutekunst gelöst werden. Beide Länder könnten ihre Rechte an den im Zweiten Weltkrieg verschleppten Kunstgegenständen auf diese Stiftung übertragen, sagte Werner. Er sehe gute Chancen, die Kunstwerke in ihre Heimat zurückzuführen, doch sei er sich bewusst, wie anspruchsvoll diese Aufgabe sei. Wie sein Vorschlag im Einzelnen funktionieren soll, will der Stiftungsrechtsexperte der Jenaer Universität Kunstfachleuten, Juristen und politischen Verantwortungsträgern auf einer Tagung am Freitag und Samstag in Weimar erläutern, zu der annähernd 100 Experten erwartet werden.
Veranstaltet wird der Kongress unter der Überschrift «Rückführung kriegsbedingt verlagerter und NS-verfolgungsbedingt abhanden gekommener Kunstgegenstände» gemeinsam von Rechtswissenschaftlern der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der Friedrich-Naumann-Stiftung und der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen. Immerhin erbeuteten deutsche Truppen bei ihren Eroberungsfeldzügen in Osteuropa rund 1500 Kunstwerke. Gar 4,5 Millionen Stück «Beutekunst» brachte die Sowjetarmee nach 1945 vor allem aus Museen im heutigen Ostdeutschland nach Moskau. Für manchen Russen käme eine Rückgabe der aus Gotha, Dresden oder Berlin stammenden Bilder, Bücher oder Teppiche einer nachträglichen Kriegsniederlage gleich, betonte Werner, der bereits seit längerem für die Idee einer deutsch-russischen Stiftung wirbt. Trotzdem sei das Problem lösbar.
«Die Stiftung kann losgelöst von politisch taktierenden Personen agieren und so eine Rückgabe einzelner Kunstsachen in die Wege leiten beziehungsweise deren Rückführung als gemeinschaftliches Eigentum an den früheren Ausstellungsort organisieren», erklärte Werner. Unter Leitung des Experten, der schon mehrfach in Stiftungsfragen und in Sachen «Beutekunst» als Gutachter tätig war, wurde der juristische Rahmen für die Stiftung abgesteckt. Die Stiftungssatzung und das entsprechende Gesetz, das der Bundestag verabschieden müsste, habe man diesem bereits in der vergangenen Legislaturperiode zugestellt, sagte Werner. In dem Umstand, dass es die FDP eingebracht hat, sehe er einen Grund dafür, dass es von der rot-grünen Regierungskoalition bis heute liegen gelassen worden sei.
Beutekunst sei ein sensibles Thema, dennoch müssten sich ihm die deutsche Politik endlich stellen und handeln, mahnte Werner. Die Kunstbewahrer beider Partner seien sich auf gemeinsamen Kongressen unter anderem in Moskau bereits über Einzelheiten wie einen Doppelsitz der Stiftung in Weimar und St. Petersburg einig geworden. Die Industrie habe finanzielle Mittel für die Lösung des Problems in Aussicht gestellt. Die russische Seite wiederum habe bereits mit Michail Gorbatschow und dem letzten Geschäftsträger der UdSSR in der DDR, Igor Maximytschew, namhafte Männer für ihren Stiftungsvorsitz benannt. Nur die Bundesregierung sei inaktiv, kritisierte Werner.
http://www.uni-jena.de