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Bonner Beethoven-Orchester im Rechtsstreit

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Verstimmte Streicher - Arbeitszeitstreit mit Bläsern im Bonner Beethoven-Orchester vor Gericht - Großes Medieninteresse

Bonn (ddp). Das Bonner Beethoven-Orchester steht vor einer Weltpremiere. Der renommierte Klangkörper will jedoch nicht musikalisch in die Geschichte eingehen, sondern durch einen einzigartigen Rechtsstreit. Erstmals klagen 16 Streicher ab Donnerstag vor dem Arbeitsgericht Bonn auf Gleichbehandlung bei der Arbeitszeit. Sie sind nämlich der Auffassung, dass sie mehr arbeiten müssen als ihre blasenden Kollegen ein paar Stühle weiter.

Nach Angaben der Kläger müssen sie 7,5 Dienste - der Fachbegriff für Proben und Aufführungen - wöchentlich bestreiten, ihre «Gegner» jedoch nur 4,2. Die Streicher sehen deshalb die rheinische Stadt als Arbeitgeber in der Pflicht. Sie streben auf diesem Weg eine Verringerung ihrer Arbeitszeit an, sagte ein Gerichtssprecher. Das Medieninteresse sei «riesig». Mehr als ein Dutzend Nachrichtenagenturen und Fernsehstationen hätten sich angemeldet.

Hintergrund der ungewöhnlichen Auseinandersetzung sind wohl Sparzwänge Bonns. Nach dem Wegfall der Orchesterfinanzierung durch den Bund wurden 2002 mehr als ein Dutzend Stellen in dem Klangkörper gestrichen, zumeist Streicher.

Musikexperten schütteln jedoch über diesen Missklang im Orchestergraben verständnislos den Kopf. «Ein Bademeister wird auch nicht dafür bezahlt, wie viele Menschen er aus der Not rettet», heißt es aus Kollegenkreisen. Ähnlich sei dies, wenn ein Vergleich zwischen Bläsern und Streichern angestellt werde.

Für die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) steht bereits vor Verhandlungsbeginn fest: «Es kann in diesem Prozess keinen Gewinner geben.» Den Einsatz von Streichern und Bläsern hätten die großen Meister in ihren Partituren schon vor Zeiten vorgegeben. Deshalb sei diese so genannte Ungleichbehandlung «systemimmanent», sagt DOV-Geschäftsführer Gerald Mertens am Mittwoch in Berlin. Er hofft deshalb auch auf ein Scheitern der Klage.

Schon seit Monaten herrsche angesichts des musikalischen «Scharmützels in Bonn eine große Verunsicherung in der bundesweiten Orchesterszene», beklagt Mertens. Werde den Streichern Recht gegeben, hätte dies fatale Folgen. Dann könnten auch anderswo «Begehrlichkeiten» dieser Musikerzunft geweckt werden, befürchtet er.

Deshalb wurde immer wieder versucht, einen Kompromiss zu finden und damit einen Prozess doch noch zu verhindern, wie Mertens betont. Der DOV-Chef selbst hatte sich bereits kurz nach dem Ausbruch des Streits vor rund zwei Jahren als Schlichter eingeschaltet. «Doch leider sind diese Gespräche damals ergebnislos geblieben», sagt er. Eine Sprecherin des Beethoven-Orchesters betont, die Fronten seien mittlerweile so verhärtet, dass eine Einigung ohne Gericht aussichtslos erscheine.

Doch egal, welche musikalische Seite als Sieger den Saal verlässt, der Gerichtsstreit wird wohl in die nächste Instanz gehen. Ein Vergleich zwischen beiden Seiten scheint auch durch den mittlerweile öffentlichen Druck fast ausgeschlossen.

Wolfgang Schönwald