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Kita, Carré und Museum - Wolfgang Clement zu Gast beim Architektur-Quartett: Dass Hunderte Besucher ins ehemalige Staatsratsgebäude drängen, wenn die BAK zum Architektur-Quarttett einlädt, hat Tradition.
Dass BAK-Präsident Peter Conradi am 24. Februar auch Wolfgang Clement begrüßen konnte, war aber fast schon eine kleine Sensation. Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit wollte sich vor einer Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion ?noch etwas Gutes? tun. Clement dürfte nicht enttäuscht worden sein: Kristin Feireiss (Leiterin der Architekturgalerie Aedes), Dr. Werner Sewing (Gastprofessor an der Universität der Künste Berlin), Rudolf Stegers (Architekturkritiker) und der Autor Moritz Rinke in der Rolle des interessierten Laien boten dem Publikum eine spannende und pointenreiche Diskussion.Zuvor hatte Christian Welzbacher (freier Journalist) die besprochenen Bauwerke, die alle in Berlin Mitte stehen, konzise und humorvoll vorgestellt. Neben der Kindertagesstätte in der Jerusalemer Straße von Volker Staab und Alfred Nieuwenhuizen und dem Erweiterungsbau des Deutschen Historischen Museums am Zeughaus von Ieoh Ming Pei stand mit dem Friedrich Carré zum ersten Mal auch ein Ensemble auf dem Programm. Entsprechend lang ist die Liste der teilweise in unterschiedlichen Konstellationen beteiligten Architekturbüros: Assmann Salomon und Scheidt, Assmann Salomon und Partner, Becker Gewers Kühn & Kühn Architekten, Eike Becker_Architekten, Müller & Reimann Architekten, Patschke, Klotz & Partner, Metz, Klotz & Partner und schließlich Walter A. Noebel.
Hoffnung zwischen Baumonstern oder: Architektur weckt Poesie
Als eindeutiger Favorit des Abends entpuppte sich das Objekt mit dem geringsten Bauvolumen. Moritz Rinke eröffnete die Diskussion der Kindertagesstätte mit einer Empfehlung ans Publikum: ?Falls Sie Kinder erwarten sollten, ziehen Sie nach Mitte.? Nur dann ist eine Aufnahme in die Kita möglich. Selbst die Gestaltung des Sanitärbereichs animierte Rinke zu poetischen Formulierungen. Kleine und farblich auf die Garderoben abgestimmte Toiletten benannte er als ?Zeichen für das Mitgedachte und Mitgefühlte für diejenigen, die dort leben. Das war so verzückend schön und ist nur ein Beispiel für die Zärtlichkeit dieser Architektur.? Angetan zeigte sich das Quartett auch von den Erkern, die aus dem Gebäudekubus vorkragen und jeweils über ein Eck verglast sind: ?Eigentlich denkt man, jeder Berliner hat ein Recht auf einen solchen Erker.?, so Werner Sewing. Mehr noch: Zwischen den umgebenden Bau?monstern? sei die ?rundum sympathische? Kita insgesamt ?eine Hoffnung für Berlin?.
Berliner Block lernt mäandern oder: Architektur reflektiert Architektur
Beim Friedrich Carré nahm das Quartett vor allem zwei Charakteristika der Fassadengestaltung unter die Lupe. Kristin Feireiss hob hervor, dass das Büro Assmann Salomon und Scheidt mit seiner städtebaulichen Rahmenplanung auf doppelte Weise eine ?neue Dimension? in die vorgegebene Blockrandbebauung zu bringen versucht habe. Zustimmung erntete die durch rückspringende Terassen mäandrierende Struktur. Sie schaffe nicht nur von zwei Seiten belichtete Eckbüros, sondern dynamisiere auch das Blockraster. Auf gemischte Gefühle stieß jedoch der Ansatz, durch die Einbeziehung verschiedener Büros unterschiedliche zeitgenössische Architekturauffassungen in Dialog zu setzen. Moritz Rinke erklärte: ?Als Kind mochte ich Nudeln und Kartoffeln nie zusammen.? Rudolf Stegers kritisierte grundsätzlich die Orientierung auf Fassaden: ?Diese Konzeption, die sich nur auf historisch-städtebauliche Fragen bezieht, ist insofern verfehlt, als sie keine Antwort gibt, wie heute zeitgenössischer Bürobau ist.?
Große Geste klein geraten oder: Kritik reflektiert Kritik
Helles Erstaunen herrschte auf dem Podium über die bisher durchgehend überschwängliche Kritik zum Erweiterungsbau des Deutschen Historischen Museums. Werner Sewing fand eine historische Erklärung. In den 80er Jahren sei die Sehnsucht nach anderer Architektur groß und Peis Entwurf ein Versprechen gewesen. Ob es sich erfüllt hat, blieb umstritten. Ist der fertige Bau ein ?großer Wurf?, wie Moritz Rinke befand, oder doch nur ?mittelmäßiges Stückwerk? mit einem ?zu mickrigen? Treppenturm, wie Kristin Feireiss urteilte? Auch die Bewertung der vergleichsweise kleinen und überdies kleinteiligen Ausstellungsflächen war kontrovers. Bleibt zu wenig Platz fürs Eigentliche oder liegt gerade in der Nutzlosigkeit ein Vorzug? Werner Sewing zog den Schluss: ?Dieser Anbau ist eigentlich kein richtiger Museumsbau. Er ist purer Luxus.?
Bundesarchitektenkammer
Dr. Claudia Schwalfenberg
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