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Deutsch-russische Verhandlungen zur Beutekunst

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Bohren an harten Brettern - Beim Thema «Beutekunst» herrscht Frust - Bremer Kunsthalle sieht Kanzler in der Pflicht

Berlin (ddp). Die deutsch-russischen Verhandlungen über die so genannte Beutekunst stecken fest. Nach der Rückgabe der 111 mittelalterlichen Glasfenster der Marienkirche in Frankfurt(Oder) vor zwei Jahren, die von allen Beteiligten als bedeutender Schritt gewertet wurde, ist mittlerweile wieder Ernüchterung eingekehrt. Die Situation sei «frustrierend», räumt Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos) ein. «Immer wieder Überzeugungsarbeit zu leisten» lautet ihre Devise. Und dennoch: «Leider gibt es auch in Fällen, bei denen auch nach den russischen Rechtsvorschriften eine Rückgabe erlaubt ist, keine Bewegung», sagt Weiss der Nachrichtenagentur ddp.

Nach offiziellen deutschen Angaben lagern in russischen Depots und Sammlungen immer noch drei Kilometer Archivalien, zwei Millionen Bücher und rund eine Million Kunstwerke. Von diesen werde ein Fünftel als «national und international bedeutsam» eingeschätzt. 1997 hatte die russische Duma die «Beutekunst», die nach dem Zweiten Weltkrieg in die damalige Sowjetunion gebracht wurde, erneut zum ständigen Eigentum erklärt.

Am 20. Juli 1999 wurde das «Beutekunst»-Gesetz mit einigen kleinen Änderungen vom russischen Verfassungsgericht bestätigt. Ausgenommen sind Kunst aus dem Besitz von Kirchen und Glaubensgemeinschaften, aus jüdischem Besitz, aus dem Besitz von Verfolgten des Nazi-Regimes sowie solche Werke, die sich sowjetische Militärangehörige individuell angeeignet hatten.

Davon betroffen sind etwa das Walther-Rathenau-Archiv, die Silbersammlung des Hauses Anhalt und die Baldin-Sammlung der Kunsthalle Bremen. Die Kollektion, die 364 Werke unter anderem von Dürer, Rembrandt und Van Gogh umfasst, war von dem Offizier Viktor Baldin in die Sowjetunion gebracht worden. Ihre Rückgabe im vergangenen Jahr war schon beschlossene Sache. Auch beim Rathenau-Nachlass sah der inzwischen abgelöste russische Kulturminister Michail Schwydkoj - der das Gesetz als «schlechtes» bezeichnete - im vergangenen Jahr «Bewegung kommen» und kündigte auch die Rückgabe der Silbersammlung an. Doch innenpolitische Auseinandersetzungen in Russland verhinderten all dies bislang.

«Unsere Frustration ist sehr hoch», klagt der Direktor der Kunsthalle Bremen, Wulf Herzogenrath. Man höre in Sachen Baldin-Sammlung überhaupt nichts. Dabei habe er gehofft, dass sich nach den russischen Präsidentschaftswahlen im März etwas tun würde. Die Übereinkunft sei ja schon unterschrieben gewesen. «Das geht so nicht», kritisiert Herzogenrath.

Dabei könnte Baldin, der die Werke «gerettet» und sich wie auch seine Witwe immer für eine Rückgabe eingesetzt habe, eine «Brücke» zwischen beiden Ländern sein, findet er. Nun nimmt der Kunsthallen-Direktor den deutschen Regierungschef in die Pflicht. Das Thema müsse «Kanzlersache» sein, fordert er.

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Russlands Präsident Wladimir Putin seien sich der «Sensibilität» des Themas bewusst, sagt Weiss. Und die Position der Bundesregierung ist sehr deutlich: «Das russische \'Beutekunstgesetz\' verstößt gegen Völkerrecht und widerspricht den eingegangenen Verpflichtungen der russischen Regierung», betont die Ministerin.

Trotz aller Stagnation hat sie weiter die Hoffnung, «dass die Mühen auf der Ebene der Kulturminister zu gegebener Zeit auch Erfolge mit sich bringen werden». Bis dahin bedeute die Rückführungsarbeit für sie «das beharrliche Bohren an harten Brettern».

Nathalie Waehlisch