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Deutscher Musikrat fordert Erhalt des BR-Rundfunkorchesters

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In einem offenen Brief an den bayerischen Ministerpräsidenten, Edmund Stoiber und den Intendanten des Bayerischen Rundfunks, Thomas Gruber, warnt der Vorsitzende des Dirigentenforums des Deutschen Musikrates, Peter Gülke eindringlich vor der geplanten Schließung des Bayerischen Rundfunkorchesters.

Dazu Generalsekretär Christian Höppner:

„Der Deutsche Musikrat unterstützt mit Nachdruck den Appell von Peter Gülke. Die geplante Abwicklung des Bayerischen Rundfunkorchesters gehört in die Reihe kulturpolitischer Fehlentscheidungen, die unsere Gesellschaft noch teuer zu stehen kommen werden.“

Der Deutsche Musikrat hat sich wiederholt für den Erhalt des Bayerischen Rundfunkorchesters eingesetzt und mit seiner kürzlich durchgeführten Veranstaltung im ARD-Hauptstadtstudio zum Thema „Auslaufmodell Rundfunkklangkörper? – Perspektiven für das Musikland Deutschland“ (u.a. mit Monika Griefahn und Fritz Pleitgen) auf die Bedeutung der Rundfunkklangkörper insgesamt für das Kulturleben aufmerksam gemacht.

Nachfolgend der Wortlaut des offenen Briefes von Peter Gülke:

Herrn Ministerpräsident Edmund Stoiber
Herrn Intendanten des Bayerischen Rundfunks Thomas Gruber

Sehr geehrte Herren,

mit Bestürzung müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass Sie weiterhin an der geplanten Auflösung des Bayerischen Rundfunkorchesters festhalten. Erneut protestieren wir gegen die Entscheidung ebenso wie gegen die Begleitumstände, welche offensichtlich eine Diskussion um die Tragweite der Entscheidung verhindern sollen.

Wir verzichten auf eine Wiederholung der Argumente, welche von der Leitung des Orchesters und u.a. in mehreren hochkompetenten Beiträgen in der FAZ formuliert worden sind – insbesondere die ausgezeichneten Qualitäten, den breiten Wirkungskreis und großen Widerhall der Arbeit des Orchesters betreffend, zudem den Umstand betreffend, dass mit der Pflege so genannter Randbereiche des Repertoires und bei der Entdeckung interessanter, vergessener Stücke Aufgaben erfüllt worden sind – und weiter werden, welche früher in höherem Maße von den Rundfunk-Symphonieorchestern wahrgenommen wurden. Wir sind entsetzt, dass all dies auf die Frage der Bezahlbarkeit reduziert worden ist – einer Opportunität zuliebe, welche sich nicht nur widerlegen wird, weil ein Orchester aufzulösen nahezu gleich teuer ist, wie es zu erhalten.

Ist denen, die so entschieden haben und nicht mit sich reden lassen eigentlich klar, welche Lücke da gerissen wird, in welchem makabren Kontext der Vorgang steht? Nicht nur Diskussionen beim Saarländischen und beim Südwest-Rundfunk bestätigen, dass das Orchestersterben in Deutschland weitergeht. Wir reden von „Leitkultur“ und rücken unseren Kulturträgern, sofern sie nicht eine starke Lobby schützt, zuleibe; wir diskutieren über nationale Identität und vergessen, dass neben der staatspolitischen – wenn nicht vor ihr – die Kultur deren wichtigster Bestandteil ist. Wir handeln uns schlechte Zensuren für unser Schulsystem ein und schaffen die Orchester eins ums andere ab, welche in die Schulen gehen und die Jugend für Musik begeistern; wir lassen uns mittlerweile von der Hirnforschung bestätigen, welch großen Einfluss musische Bildung auf die Entwicklung unserer intellektuellen Möglichkeiten hat und halten dennoch an der fortschreitenden Pragmatisierung unserer Bildungs- und Lehrsysteme fest. Wenn es zu spät ist, werden auch die, die es heute nicht interessiert, zur Kenntnis nehmen müssen, dass Bach, Mozart, Beethoven etc. sogar Faktoren unserer Wettbewerbsfähigkeit sind. Rückblickend wird es wie eine Groteske erscheinen, dass wir dies nicht rechtzeitig erkannt haben und angesichts von Einsparungen aus Finanznöten zuerst stets an Ensembles gedacht haben, deren Anteil am Gesamtetat von Ländern, Städten, Rundfunkanstalten eher verschwindend gering ist. Für welche Zukunft bilden wir junge Musiker aus, welche Zukunft werden unsere Spitzenorchester haben, wenn der Zuzug aus den mittleren versiegt?

In großer Sorge und mit aller erdenklichen Eindringlichkeit bitten wir die Verantwortlichen, die Entscheidung gründlich zu überdenken und zu revidieren.

gez.
Prof. Dr. Peter Gülke
Vorsitzender des Dirigentenforums des Deutschen Musikrates

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