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Arbeitslose kommen beim Görlitzer «Brückenpark im Licht» zum Einsatz. Auf der Basis von Ein-Euro-Jobs holte sich das Kulturhauptstadtbüro ein paar Dutzend Empfänger von Arbeitslosengeld (ALG) II ins Team.
Görlitz (ddp). Ein «elitäres Projekt» nennt Jutta Blin die Görlitzer Bewerbung für Europas Kulturhauptstadt 2010. Die parteilose Hochschulprofessorin, eine unter sieben Kandidaten bei der Oberbürgermeisterwahl in der Neißestadt, steht mit ihrer Meinung keineswegs allein. Der Funke auf die Bevölkerung ist wahrlich noch nicht übergesprungen. Vielen fehlt der Bezug, Einblick, Verständnis für das ehrgeizige Vorhaben. Das Kulturhauptstadtbüro in Görlitz ging daher einen ungewöhnlichen Weg, um bislang Unbeteiligte und mehr Einheimische einzubeziehen. Auf der Basis von Ein-Euro-Jobs holte sich die Geschäftsstelle ein paar Dutzend Empfänger von Arbeitslosengeld (ALG) II ins Team.100 solcher Stellen - befristet auf ein halbes Jahr - hat die Agentur für Arbeit bewilligt. Bei den ersten Vorstellungsgesprächen Ende März wählte das Kulturhauptstadtbüro gut 60 neue Mitstreiter unter rund 100 Bewerbern aus. Nach der zweiten Runde vor gut einer Woche kamen weitere 30 Helfer hinzu. Die Geschäftsstelle braucht für Aktionstage und Veranstaltungen etliche Helfer, macht Thomas Kiemle deutlich, der für Regie und Projektmanagement zuständig ist. Bisher fehlte eine kalkulierbare Größe an Leuten, auf die das Büro in solchen Fällen zählen konnte.
Es ging jedoch nicht allein darum, günstige Arbeitskräfte - vor allem mit handwerklichen Fähigkeiten - zu finden. Die Arbeitslosen sollen als Multiplikatoren wirken, das Anliegen der Kulturhauptstadt nach außen tragen. Sich grundsätzlich mit der Idee zu identifizieren, war ein Anspruch, der an die Bewerber gestellt wurde. Wer damit ein Problem hatte, konnte die Stelle von vornherein ablehnen.
30 Stunden dürfen die Helfer mit dem Ein-Euro-Job wöchentlich arbeiten. Nicht nach regelmäßigem Dienstplan werden die Mitstreiter eingesetzt, sondern gerade so, wie sie gebraucht werden. Sie geben im Informationszentrum des Kulturhauptstadtbüros Auskünfte, sind für Hausmeisterarbeiten zuständig, unterstützen Techniker beim Auf- und Abbau von Installationen, weisen Besuchern bei Veranstaltungen den Weg - am 1. Mai etwa, wenn der Brückenpark erstmals im Licht erstrahlt. Das zentrale Projekt der Görlitzer Kulturhauptstadtbewerbung soll dann für Besucher sinnlich erlebbar werden. Für die «schnelle Eingreiftruppe», wie Kiemle die Helfer nennt, gibt es daher in den kommenden Tagen jede Menge zu tun.
«Die Leute sollen so nah wie möglich in ihrem alten Beruf arbeiten», stellt Kiemle klar. Von der Sekretärin über Maler und Dachdecker bis hin zum Ingenieur reicht das Spektrum. Zudem dürfen sich die ALG-II-Empfänger bei ihrem Einsatz im Görlitzer Kulturhauptstadtbüro fortbilden. Sie lernen im Umgang mit Computer und Internet dazu, haben Polnischunterricht, trainieren Kommunikation und bekommen bei einem Theatersänger Stunden zur Stimmbildung.
Auch Chorproben gehören zum Schulungsprogramm. Das «verbindende Medium» eigne sich gut dazu, dass sich die Leute untereinander kennen lernen, findet Kiemle. Bei ihren verschiedenen Aufgaben für die Geschäftsstelle sehen sie sich ansonsten kaum oder gar nicht. Ursprünglich war geplant, Arbeiterlieder mit den Laien einzustudieren. Manch einer nahm jedoch Anstoß daran, Arbeitslose «Wann wir schreiten Seit an Seit» oder «Bandiera rossa» singen zu lassen. Das Büro nahm die Befindlichkeiten ernst und stellte das Projekt zurück. Ob, wann und mit welchem Repertoire der Chor auftritt, sei vorerst ungewiss, räumt Kiemle ein. Er findet die Idee nach wie vor gut: «Menschen singen von etwas, was sie nicht haben, aber haben wollen.»
Anett Böttger
http://www.goerlitz2010.de