Body
Offener Brief des Präsidenten des Deutschen Bühnenvereins an den Aachener Oberbürgermeister Dr. Jürgen Linden zur Situation des Stadttheaters
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,der Stadtrat der Stadt Aachen hat beschlossen, den bei etwa 15 Millionen Euro liegenden Etat des Stadttheaters im laufenden Haushaltsjahr um 3,75 Millionen Euro zu kürzen.
Auf diese Kürzung entfallen zwar nach den mittlerweile geführten Gesprächen 3,15 Millionen Euro auf die Rücklagen. Es fällt uns dennoch bei allem Verständnis für die angespannte Haushaltslage der Kommunen schwer, diesen Beschluss des Stadtrates in irgendeiner Weise nachvollziehen zu können.
Die Rücklagen wurden vom Stadttheater Aachen erwirtschaftet, um damit technische Erneuerungen im Hause, die überfällig sind, zu finanzieren. Nun soll das Theater Schulden machen, um diese Finanzierung sicherzustellen. Dies führt zu zusätzlichen Belastungen von etwa 150.000 Euro pro Jahr. Hinzu kommen Kürzungen, die jährlich stattzufinden haben und die sich schließlich auf eine Summe von 750.000 Euro pro Spielzeit belaufen werden. Unter dem Strich wird also das Theater einen um eine knappe Million Euro niedrigeren Etat haben.
Wir fragen uns: Wie will man ein Theater motivieren, durch Eigeneinnahmen Rücklagen zu bilden, wenn sie später nicht vom Theater verwendet werden dürfen, sondern von der Stadt einkassiert werden? Es ist widersinnig, von den Theatern mehr Wirtschaftlichkeit zu verlangen, aber dann mit den Überschüssen so zu verfahren. Dies gilt um so mehr, wenn man deshalb dem Theater eine Kreditaufnahme zumuten muss. So sehr dem Theater zu wünschen ist, dass seine Eigeneinnahmen weiter steigen, ohne Personalreduzierungen wird eine Einsparungssumme von fast 1 Million Euro nicht zu realisieren sein.
Wo aber sollen diese Personalreduzierungen stattfinden, wenn ein Ensemble über 12 Solosänger, 17 Schauspieler und 21 Chormitglieder verfügt und der große Anteil der nichtkünstlerischen Mitarbeiter praktisch kaum gekündigt werden kann? Im übrigen wird die Personalreduzierung zur Reduzierung von Produktionen führen, was die Eigeneinnahmen sinken lässt und insofern die Einsparungszwänge weiter vergrößern wird.
Der Beschluss des Stadtrates lässt sich also ohne schweren Schaden für das Aachener Stadttheater nicht umsetzen. Aachen ist eine Stadt, die sich vor allem mit der Verleihung des Karls-Preises großes kulturelles Ansehen erworben hat. Der jetzt vom Stadtrat gefasste Beschluss wird diesem Ansehen nicht gerecht und wirft die Stadt Aachen auf kulturprovinzielles Niveau zurück.
Der Stadtrat sollte seinen Beschluss deshalb zurücknehmen. Wir appellieren an Sie, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, gemeinsam mit uns darauf hinzuwirken.
Einen gleichlautenden Brief erhalten die Vorsitzenden der Fraktionen des Aachener Stadtrates.
Mit freundlichen Grüßen
Professor Jürgen Flimm
Präsident
Rolf Bolwin
Geschäftsführender Direktor
DEUTSCHER BÜHNENVEREIN
Köln, den 18. März 2003
Quelle:
http://www.buehnenverein.de/presse.htm