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Offenbar führten ungenügende Recherchen deutscher Presseagenturen und Zeitungsredaktionen zum Rufmord am Kölner Dirigenten Volker Hartung. Vorausgegangen war am 27. Oktober eine mit der Schlagzeile "Schwarzarbeits-Verdacht gegen Kölner Orchesterchef" aufgemachte Pressemeldung.
Danach ermittelt die französische Justiz gegen den deutschen Dirigenten Volker Hartung (49) wegen Schwarzarbeit. Der Chef der Jungen Philharmonie Köln soll für eine Frankreich-Tournee Musiker von Konservatorien aus Sankt Petersburg und Sofia angeworben und diese als "Ehrenamtliche" mit nur 30 Euro monatlich entlohnt haben. Zudem soll er eine ordnungsgemäße Meldung bei den Arbeitsbehörden in Frankreich versäumt haben.Wie die neue musikzeitung (nmz) von der Deutschen Orchestervereinigung (DOV) erfahren hat, wurde Hartung auf Initiative der französischen Musikergewerkschaft (Syndikat National des Artistes de Musicien - SNAM) in Nizza in polizeilichen Gewahrsam genommen, konnte allerdings durch Zahlung einer Kaution in Höhe von 20.000 Euro wieder entlassen werden. Die SNAM wird in dem bereits begonnenen Gerichtsverfahren als Nebenkläger auftreten.
Wie Hartung gegenüber der nmz erklärte, gab er mit den osteuropäischen Musikern und Choristen im Oktober über 22 Konzerte u.a. in Vézelay, Nantes, Blois, Le Mans, Albi, Montpellier, Grenoble, Dijon, Reims, Lyon, Tours und Orléans. Nach dem Einschreiten der Behörden wurden damit die letzten 6 Konzerte der Tournee verhindert. Trotz des Ausfalls erhielten die Musiker das vereinbarte Honorar für diese Konzerte. Für die Kosten der Annullierung (Hotelstornierung, Vertragsauflösung mit Konzerthäusern u.s.w.) muss der Dirigent jetzt selbst aufkommen.
Am 28. Oktober stellte der Beauftragte für internationale Angelegenheiten des französischen SNAM, Antony Marschutz, in einem Schreiben an Gerald Mertens, Geschäftsführer der DOV, richtig, dass Hartung den Musikern ein Honorar von 30 Euro pro Konzert ausgezahlt hat. Die von den Medien verbreitete Aussage, die Musiker wurden mit lediglich 30 Euro monatlich entlohnt, ist laut Marschutz "scheinbar ein Fehler des französischen Korrespondenten der Zeitung in Nizza, der von den deutschen Zeitungen wieder aufgenommen wurde."
Für den Dirigenten Volker Hartung kommt dieser fatale Fehler einem Rufmord gleich. Hartung organisierte im Eigenmanagement als Veranstalter die gesamte Konzerttournee. Von den angeblich persönlich eingenommenen Geldern (200 000 Euro) wurden Hotels, Reisekosten, Gagen und alle Aufwendungen für die 40 Musiker und 20 Choristen finanziert. Hartung selbst hatte durch die Tournee keine finanziellen Vorteile, auch keiner der Musiker habe sich über ihn beschwert. Inzwischen durfte er mit seiner Familie Frankreich verlassen, so Hartung gegenüber der nmz.
Einen Vorwurf, den sich der Dirigent machen lassen muss ist, dass er die steuerliche Meldepflicht nach dem sechsten Konzert wegen Unkenntnis versäumt hat. Dafür drohen ihm jetzt bis zu drei Jahren Gefängnis und eine Strafe von einer Million Euro.
Barbara Lieberwirth
In der nächsten Ausgabe der nmz wird Volker Hartung eine Stellungnahme abgeben. Die Doppelausgabe Dezember 04/Januar 05 erscheint am 3. Dezember.