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Freiwilliges Jahr in Kulturbetrieben

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Neben dem bekannten Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) ist der freiwillige Dienst im Kulturbereich noch wenig bekannt. Im Herbst 2001 startete in fünf Bundesländern das entsprechende Modellprojekt «FSJ Kultur».

Stuttgart (ddp-bwb). Seit 2002 gibt es auch in Baden-Württemberg die Möglichkeit, ein freiwilliges Jahr in kulturellen Einrichtungen zu absolvieren. Derzeit nehmen 20 junge Leute daran teil. Fachleute wie Olaf Zimmermann vom Deutschen Kulturrat sehen das FSJ Kultur als wichtigen Schritt zur Stärkung des Ehrenamts. In der Diskussion um die Zukunft des Zivildiensts spielt das Freiwillige Jahr ebenfalls eine wichtige Rolle. Auch die kulturellen Institutionen können vom Engagement der jungen Leute profitieren, wobei intensive Betreuung und eigenständige Projekte einen Einsatz als «Lückenbüßer» verhindern sollen.

Weitere Informationen sowie Bewerbungsunterlagen zum Herunterladen gibt es auf den Internetseiten der Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (BKJ) Leipzig unter www.fsjkultur.bkj.de. Bewerbungsschluss für den Herbst 2004 ist der 31. März. Anerkannte Wehrdienstverweigerer können das FSJ Kultur als Zivildienst anerkennen lassen. Dazu informiert die BKJ unter der Telefonnummer 0341/257 73 13.



Mehr als ein «Lückenbüßer» - Das Freiwillige Soziale Jahr in der Kultur bietet für Jugendliche und Institutionen neue Perspektiven
Stuttgart (ddp-bwb). «Von mir aus hätte es noch länger gehen können», sagt Peter. Der junge Magdeburger war einer der frühen Teilnehmer am Modellprojekt «FSJ Kultur», das im Herbst 2001 in fünf ausgewählten Bundesländern startete. Diese Variante des Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) ist inzwischen auch in Baden-Württemberg angekommen. Rund 20 junge Leute arbeiten in kulturellen Einrichtungen vom Kinomobil bis zur Staatsgalerie - sozialversichert und mit einem Taschengeld entlohnt. Da das Land noch keine eigene Infrastruktur aufgebaut hat, organisiert die Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (BKJ) von Leipzig aus die Bewerbungen, die die Zahl der angebotenen Stellen weit übersteigen.

Offenbar müssen viele Kulturschaffende aber erst einmal aufgeweckt und von jugendlichen Interessenten selbst auf das Freiwillige Kulturelle Jahr hingewiesen werden. Stephanie Gutwein jedenfalls wollte sich auf die Leipziger Zentrale nicht völlig verlassen und fragte direkt bei der Stuttgarter Staatsgalerie nach. Das war für die Institution erst der Anlass, sich mit dem FSJ Kultur zu befassen und für Stephanie eine Stelle einzurichten. Seit September vergangenen Jahres hat die Abiturientin bereits mehrere Abteilungen kennen gelernt, fühlt sich gut betreut und ist «erstaunt, wie toll alles läuft».

Stephanie strebte das FSJ Kultur aus besonderem Grund an: Für das Studium der Kunsttherapie ist ein solches Voraussetzung. Das FSJ Kultur soll den jungen Menschen Orientierung auf dem Weg in den Beruf geben. Elisabeth Stierand, die ihr Freiwilliges Jahr 2002/03 in der Stuttgarter Stadtbücherei ableistete, empfand es als «wichtiges Erprobungsfeld» und entschloss sich erst während dieser Zeit zum Studium des Bibliotheks- und Medienmanagements. Betreuung und Projektarbeit sind Voraussetzungen für die Anerkennung als FSJ-Träger: Der Einsatz der Freiwilligen als «Lückenbüßer» soll unter allen Umständen vermieden werden.

Stephanie und Elisabeth sind zwei «klassische Fälle», wie die pädagogische Koordinatorin für Süddeutschland bei der Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (BKJ), Anja Schütze, es ausdrückt: «19, weiblich, Abitur» - das sei derzeit noch die Regel beim FSJ Kultur. Allerdings habe der Anreiz, das Freiwillige Jahr gleichzeitig als Zivildienst anerkennen zu lassen, den Anteil der Männer inzwischen auf ein Drittel erhöht. Ersatzdienstleistende schlagen damit zwei Fliegen mit einer Klappe, denn im Normalfall absolvieren junge Männer den Zivildienst und das Freiwillige Jahr nacheinander. Der Geldbeutel allerdings bleibt schmal - das im FSJ Kultur ausgezahlte Taschengeld sei «viel geringer» als das Gehalt für einen Zivi, betont Schütze.

Das Freiwillige Jahr in der Kultur bietet nicht nur für die Jugendlichen interessante Perspektiven. Auch die kulturellen Institutionen, die von der BKJ regelmäßig kontrolliert und angeleitet werden, können vom Engagement der jungen Leute profitieren. Zwar sei die Aussicht auf «eine billige kontinuierliche Arbeitskraft» bei den derzeitigen Kürzungen in der Kulturlandschaft durchaus ein Argument, gibt Anja Schütze zu. Einige Stellen jedoch, insbesondere in der Soziokultur, sähen das FSJ Kultur aber auch als Instrument zum Generationswechsel. Denn viele Teilnehmer blieben der jeweiligen Institution auch später als ehrenamtlich Tätige erhalten.

Auch Olaf Zimmermann vom Deutschen Kulturrat ist überzeugt, dass das derzeit noch «winzige Modellprojekt» eine wichtige Strategie zum Ausbau des Ehrenamts in der Kultur ist. Er fordert jedoch, dass nicht nur «prädestinierte Jugendliche» am FSJ Kultur teilnehmen. «Wir müssen den schwierigen Weg gehen und mit pädagogischem Knowhow auch männliche Haupt- und Realschüler anwerben und begleiten», sagt Zimmermann.

In der Diskussion um die Zukunft des Zivildienstes spielt das Freiwillige Jahr, das es außer im sozialen und kulturellen Bereich auch als Ökologisches Jahr gibt, ohnehin eine wichtige Rolle. Dabei gehen die politischen Positionen weit auseinander: Während Baden-Württembergs Sozialminister Friedhelm Repnik (CDU) ein verpflichtendes «Gesellschaftsjahr» für alle fordert, lehnt Bundesministerin Renate Schmidt (SPD) dies als verfassungswidrig ab.

Jürgen Hartmann

s. auch: http://nmz.de/kiz/modules.php?op=modload&name=News&file=article&sid=6279