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GATS-Verhandlungen machen Künstlern in EU-Ländern Angst

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Berlin (ddp). Können eine staatlich finanzierte Opern-Aufführung und eine ausländische Musical-Aufführung als gleichwertig eingestuft werden? Kann ein großes kommerzielles Kino mit einem unabhängigen Studiokino verglichen werden? Die kulturelle Vielfalt in den Ländern der EU steht unter starkem Globalisierungsdruck und sucht nach einer Chance, um gegen die US-Kulturindustrie zu bestehen.

Dazu startete die UNESCO eine Initiative, um über eine Konvention zu einer verbindlichen Anerkennung des Rechts aller Staaten auf eine eigenständige Kulturpolitik zu kommen. Am Montag gehen in Paris die zwischenstaatlichen Verhandlungen zum Schutz kultureller Vielfalt in die entscheidende Phase. Im Oktober will die Generalkonferenz die Konvention dann verabschieden.

In Gefahr sehen die Kulturpolitiker die kulturelle Vielfalt vor allem durch das allgemeine Abkommen der Welthandelsorganisation WTO (GATS). Dieses Vertragswerk will Kultur als reine Handelsware einstufen und damit alles unterbinden, was den freien Handel behindern könnte - so auch staatliche Subventionen. In Deutschland und anderen EU-Ländern geht daher die Angst um, dass dadurch die Finanzierung zum Beispiel des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der Theater, Bibliotheken und Opernhäuser in Frage gestellt wird. Die Verhandlungen zum GATS-Abkommen sollen möglichst 2006 unter Dach und Fach sein.

Deutschland und die EU sind eindeutig in ihrer Haltung: Kultur darf nicht behandelt werden wie irgendein Gut im Freihandel, für Kultur dürfen nicht dieselben Wettbewerbsregeln gelten wie für Autos.
Sie wollen kulturelle und audiovisuelle Dienstleistungen aus den Verhandlungen heraushalten. Das versuchen aber die anderen Länder zu verhindern und wollen eine «kulturelle Ausnahme» nicht dulden. Allen voran die USA, nach deren Ansicht sich die Staaten überhaupt aus der Kultur heraushalten sollten.

Bereits jetzt steht fest, dass inhaltliche Quoten im Rundfunk- und Kinobereich, die nationale Angebote bevorzugen, grundsätzlich gegen das GATS verstoßen. Dienstleistungen, auch die des Kultur-, Bildungs-und Medienbereichs, sollen durch den weltweiten Zugang weiter liberalisiert und für private Konkurrenten geöffnet werden.

Doch welcher der Verträge künftig im Streitfall mehr Gewicht haben wird, darüber sind die Experten uneins: Die einen plädieren dafür, dass die UNESCO-Konvention mehr zählt, die anderen halten das GATS-Abkommen für das verbindlichere. Für die EU steht fest: Sie spricht diesmal mit einer Stimme und will das UNESCO-Abkommen stärken.

Typisch für GATS-Abkommen waren in der Vergangenheit Kompromisse, die oft an orientalischen Basarhandel erinnerten. So befürchten Experten bei den aktuellen Verhandlungen, Kultur und Medien etwa könnten hergegeben werden, um den Agrarsektor von Subventionsverboten unbehelligt zu lassen.
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