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Geplante Schließung der Berufsfachschule für Musik Altötting

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Die Berufsfachschule für Musik in Altötting steht vor dem Aus (Termin: 31.07.2006): Die Diözese Passau zieht sich als Träger zurück - Kein neues Finanzierungsmodell gefunden - 23 Arbeitsplätze stehen auf der Kippe. Hat die Kirche (Diözese Passau) kein Geld mehr?

Für ihren Rückzug aus der Trägerschaft verantwortlich macht die Diözese dabei vor allem finanzielle Gründe: Rund 120 000 Euro waren es zuletzt, welche sie jährlich an Defizit tragen musste. In Umsetzung ihrer Sparbeschlüsse, die nötig geworden seien, um die finanziellen Handlungsmöglichkeiten langfristig zu sichern, werde das Engagement mit Ende des Schuljahres 2005/2006 beendet, teilte die Bischöflichen Pressestelle mit.

Die Kirche klagt über rückläufige Steuereinnahmen und leere Kassen. Doch ein Wissenschaftler hat errechnet und dokumentiert: Die Christen-Institutionen sind die reichsten Unternehmer der Republik. Drei Jahre lang recherchierte der Hamburger Politologe Carsten Frerk penibel Zahl um Zahl. Er las Haushaltspläne und Bilanzen, befragte Finanzräte und Stiftungsaufseher, durchforstete Rechenschaftsberichte und Staatskirchenverträge. Dann rechnete er zusammen - und kam auf eine stattliche Summe. Die beiden großen Kirchen in Deutschland, so sein Fazit, verfügen über ein Gesamtvermögen von fast einer Billion Mark.

Das Unterfangen des 56-jährigen Wissenschaftlers war höchst beschwerlich. Denn wenn es um ihr Geld geht, sind die beiden Kirchen so verschwiegen wie Schweizer Banken. Zwar sickert hin und wieder mal eine Zahl über kirchliche Latifundien, Weinberge, Brauereien, City-Immobilien oder Forste und Gutshöfe durch, doch einen Überblick hat niemand. Die Kirchenoberen achten streng darauf, dass nicht allzu viel publik wird.

Die Haushaltspläne der evangelischen Landeskirchen etwa enthalten in der Regel Sperrvermerke zu Haushalts- und Vermögensfragen. Angaben über Stiftungen, Sondervermögen und Immobilien werden nicht veröffentlicht. Sogar die katholische Bischofskonferenz klagt über "die Zurückhaltung ihrer Bistümer", die "äußerst ungern pekuniäre Auskünfte erteilen". Der Grundbesitz beider Kirchen wurde zuletzt 1937 in einer offiziellen Reichs-Statistik erfasst. Aktuelle Zahlen gibt es nicht.

Frerks Zahlen dürften denn auch für Aufregung sorgen: Der Autor stellt erstmals detailliert Vermögenswerte, Geldanlagen und Immobilien von Landeskirchen und Diözesen, karitativen Stiftungen und anderen ebenso frommen wie lukrativen Werken vor. Das gesamte Kirchenvermögen (Geld, Aktien, Beteiligungen, Grund und Immobilien) beziffert Frerk auf 981 Milliarden Mark - damit sind die Kirchen die reichsten Unternehmer der Republik.

Frerk beschränkt sich dabei nicht auf die “verfasste Kirche”, sondern versucht, soweit möglich die “Wirtschaft im Raum der Kirchen” zu berücksichtigen. Denn wer ein Bild von der tatsächlichen Vermögenslage der Kirchen gewinnen will, muss über die in Kirche und Politik kontrovers diskutierte Kirchensteuer hinaus zahlreiche weitere Bereiche berücksichtigen. Viele “kirchliche Rechtsträger” (von der Kirchengemeinde bis zur Stiftung) verfügen über Grundbesitz, Immobilien oder Firmenbeteiligungen. Im “kirchlichen Raum” sind zahlreiche Unternehmen angesiedelt, sei es in der Gastronomie, der Touristikbranche oder in der Bauwirtschaft. Die Einlagen kirchlicher Einrichtungen bei den Kirchenbanken sind in den letzten Jahren – bei öffentlich immer wieder betonter Armut – wiederum angewachsen. Gleichzeitig erhalten die Kirchen staatliche Zuwendungen in einem Umfang, der die Kirchensteuereinnahmen deutlich übersteigt.

Soviel zum „Rückzug aus Kostengründen“. Die Diözese Passau reiht sich ein in den Reigen der Kostensenker und Gewinnoptimierer, um die Gunst der Stunde (sprich: katholischer Globalisierungseffekt) zu nutzen und bedient sich bei ihrer musikpädagogischen Kahlschlagpolitik der ach so bekannten und beliebten Werkzeuge: Eine ebenso anerkannte wie geschäftstüchtige Unternehmensberatung (McKinsey & Company) liefert das Zahlenmaterial und die daraus resultierenden „Einsparpotentiale“. Schnell ist man sich in Passau, fernab jeglicher sozialer (bzw. christlicher ?) Verantwortung einig, das „ungeliebte Kind“ BfM Altötting abzustoßen. Eine verhängnisvolle Entscheidung, die tiefgreifende Folgen und Auswirkungen für das Musikleben der gesamten Region nach sich ziehen wird. Es bleibt nur noch zu hoffen, dass sich die Herren Strategen in Passau doch noch auf ihre Verantwortung zurückbesinnen und ihren Beschluss korrigieren.

Thomas Breitsameter

s. auch:
http://nmz.de/kiz/modules.php?op=modload&name=News&file=article&sid=9169

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