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Seit Mitte September ist das Goethe-Institut Inter Nationes nach einer kriegsbedingten Pause von zehn Jahren wieder in Aghanistans Hauptstadt Kabul präsent. Renate Elsaeßer, die zuvor Erfahrungen unter anderem in Bosnien, Vietnam und China sammeln konnte, koordiniert den Wiederaufbau des Institutes.
Berlin (ddp). Mit Elsaeßer sprach ddp-Korrespondentin Andrea Marczinski in Berlin über Anfänge, Projekte und Visionen.ddp: Wie sind die Bedingungen für das Goethe-Institut in Kabul?
Elsaeßer: Momentan bin ich Gast in der Deutschen Botschaft, weil im künftigen Goethe-Institut, der ehemaligen DDR-Botschaft, noch bis zum Frühjahr die EU-Vertretung residiert. Im alten Gebäude des Goethe-Instituts, das Deutschland nicht gehört, arbeitet eine UN-Organisation und zahlt 25 000 Dollar Miete im Monat. Das kann sich unser Institut nicht leisten.
ddp: Welche Projekte konnten Sie seit September bereits auf den Weg bringen?
Elsaeßer: Wir haben fünf Schwerpunkte, die wir auch 2003 weiterführen wollen: Film, Theater, Bildende Kunst, Musik und die Bibliotheksarbeit. Im Vordergrund steht unsere Hilfe beim Wiederaufbau. Durch die Sondermittel des Auswärtigen Amtes für Afghanistan haben wir dafür in diesem Jahr knapp eine Million Euro zur Verfügung. So konnten wir beispielsweise für die staatliche Produktionsgesellschaft Afghan Film einen Filmkran kaufen, damit sie wieder arbeiten kann. Die Studenten an der Fakultät der Bildenden Künste brauchten als erstes Papier, Stifte, Wasser und Ölfarben, Tische und Stühle. Die Uni- und die Stadtbibliothek bekamen je 100 000 Euro für deutsche Literatur, die zum Teil in Englisch und in die Landessprachen Dari und Paschtu übersetzt ist. Geplant sind Kinder- und Frauenlesesäle.
ddp: Wie verhält es sich mit Deutschkursen? Es gab in Kabul ja einst die traditionsreiche Amani-Oberrealschule, an der Jungen das deutsche Abitur ablegen konnten.
Elsaeßer: Sie wird von Deutschland wieder aufgebaut - und zudem eine gleichwertige für Mädchen errichtet. Deutschkurse sind sehr gefragt. In den 70er Jahren gab es bis zu 800 Schüler. Das können wir natürlich nicht leisten. Wir haben keine Räume und so gut wie keine Lehrer. Zurzeit bieten wir mit Hilfe eines Deutschen, der im Land lebt, an der Polizeiakademie zwei Kurse für 40 Auszubildende an. Die Nachfrage ist sehr groß, denn die Polizei wird mit deutscher Hilfe wieder aufgebaut.
ddp: Wie schätzen Sie die kulturelle Situation derzeit im Land ein? Melden sich kritische Intellektuelle zu Wort?
Elsaeßer: Da ich erst zweieinhalb Monate da bin, habe ich noch nicht viele Kontakte. Die meisten kritischen Intellektuellen sind emigriert, viele von ihnen mussten schon während der sowjetischen Besatzung gehen. Die wenigen, die bisher zurückgekommen sind, versuchen, sich Raum zu schaffen. Nach meiner Einschätzung ist es im Moment kein Problem, sich auch oppositionell zu äußern. Die Regierung von Hamid Karsai ist demokratisch. Es gibt eine Presse, die sich relativ frei äußert.
ddp: Wie wollen sie das Goethe-Institut in Kabul positionieren?
Elsaeßer: Mein Ziel ist ein offener Dialog zwischen der islamischen und der westlichen Welt. Unser Institut ist dabei die Plattform, wir müssen uns absolut neutral verhalten, dürfen uns auf keinen Fall einmischen. Durch bestimmte Projekte, durch ausgewählte Kontakte können wir jedoch Einfluss nehmen. Wir sind als einziges Kulturinstitut wieder in Afghanistan. Anderen Ländern ist die Situation dort noch zu unsicher. Die Weichen werden aber jetzt gestellt, wie sich dieses Land entwickeln wird. Die Kulturschaffenden brauchen gerade jetzt unsere Hilfe.