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Hanns-Eisler-Gesamtausgabe erscheint

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Dass Hanns Eisler (1898-1962) ein schier unüberschaubares Lebenswerk geschaffen hat, soll die historisch-kritische Hanns Eisler Gesamtausgabe (HEGA) dokumentieren. Der erste Band von über 60 ist jetzt fertiggestellt.

Berlin (ddp). Die einen schätzen ihn als Schüler von Arnold Schönberg, andere kennen ihn als Komponisten politischer Lieder zu den Stücken Bertolt Brechts. Dass Hanns Eisler (1898-1962) ein schier unüberschaubares Lebenswerk geschaffen hat, zu dem weit mehr als 500 Lieder, Balladen, Kantaten und Chöre, mehrere Sinfonien, chorsinfonische und kammermusikalische Werke sowie Musiken zu über 40 Filmen und ebenso vielen Bühnenwerken gehören, soll die historisch-kritische Hanns Eisler Gesamtausgabe (HEGA) dokumentieren. Der erste Band von über 60 ist jetzt fertiggestellt. Er trägt den Titel «Die Rundköpfe und die Spitzköpfe oder Reich und reich gesellt sich gern. Ein Greuelmärchen». Am Freitag wird er im Berliner Brechthaus präsentiert, wie Albrecht Dümling, einer der beiden Herausgeber, berichtet.

«Die Rundköpfe und die Spitzköpfe» (1934) war nach «Die Maßnahme» (1930) und «Die Mutter» (1931) die dritte größere Theaterzusammenarbeit zwischen Eisler und Brecht. Als der Komponist 1934 an der Bühnenmusik zu arbeiten begann, war an eine Aufführung - in Nazideutschland - nicht zu denken. Brecht und Eisler lebten im Exil. Auch nach 1945 wurde das Stück in Ost- und Westdeutschland nur selten gespielt. Der Notenband, mit dem die HEGA an den Start geht, dokumentiert nun erstmals die vollständige Musik zu dem Theaterstück, in der Fassung von 1962. Das ehrgeizige Editionsunternehmen, an dem ein Team von über zehn Musik- und Literaturwissenschaftlern arbeitet, wird nach Schätzung Dümlings «wohl noch mindestens 20 Jahre» beanspruchen. Bereits in Vorbereitung sind Bände zu Eislers abendfüllender «Deutscher Symphonie», zu den frühen Liedern aus den Jahren 1917 bis 1920, zu Orchester- und Klaviermusik des Komponisten.

In voraussichtlich elf Bänden werden zudem die Schriften und Briefe Eislers versammelt. Der Komponist hatte sich stets aktiv in die politischen Debatten seiner Zeit eingebracht. Nachdem die Erarbeitung des ersten Bandes der Gesamtausgabe mehr als ein Jahrzehnt gedauert hat, rechnet Dümling nun mit schnelleren Erscheinungsterminen. Finanziert wird die Gesamtausgabe von der Deutschen Forschungsgesellschaft und aus Lottomitteln.

Hanns Eislers Leben und Werk war geprägt von den großen gesellschaftlichen und musikalisch-ästhetischen Umwälzungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In Leipzig geboren, in Wien aufgewachsen und dort von 1919 bis 1923 Privatschüler des Zwölftontechnik-Schöpfers Arnold Schönberg, übersiedelte er 1925 nach Berlin. Zunächst komponierte er Vokal- und Kammermusik. Eisler, der nach Alternativen zu spätbürgerlicher Kunst suchte und sich sozialistischen Ideen verbunden fühlte, tat sich mit Dichtern wie Brecht, Erich Weinert und dem «Arbeitersänger» Ernst Busch zusammen. Es entstanden Lieder, Balladen und Chöre. 1927 begann Eisler, für die Bühne zu arbeiten.

Aus Nazideutschland musste Eisler 1933 emigrieren. Arbeiten für Bühne, Film und Rundfunk sowie Vorträge führten ihn in verschiedene europäische Länder und in die USA. Er komponierte Lieder für die Internationalen Brigaden in Spanien. In New York übernahm er eine Professur und gab Kompositionskurse. Er drehte Experimentalfilme und schrieb gemeinsam mit seinem Freund Theodor W. Adorno das Buch «Komposition für den Film», das zu einem Standardwerk wurde. 1942 ging Eisler nach Hollywood, wo die Akademie der Filmkunst zwei seiner Filmkompositionen, darunter für «Hangmen also die», als «Beste Filmmusik des Jahres» auszeichnete.

Nach dem Krieg kehrte Eisler zunächst nach Wien zurück, 1950 übersiedelte er in die DDR, wo er zum Text von Johannes R. Becher auch die Nationalhymne komponierte. Eislers Gesamtwerk, bis in die 90er Jahre hinein zumeist nur selektiv wahrgenommen, soll nun mit der HEGA vollständig der Wissenschaft und musikalischen Praxis zugänglich gemacht und umfassend gewürdigt werden.

Cornelia Krüger