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Mit einer ausgiebigen Diskussion über die inhaltlichen Herausforderungen der Theater und Orchester ist die diesjährige Jahreshauptversammlung des Deutschen Bühnenvereins in Kassel am Samstag zu Ende gegangen. Die Anbindung an eine durch Migration und demografischen Wandel geprägte Wirklichkeit sowie eine klare künstlerische Haltung waren in dieser Diskussion die zentralen Forderungen für die Arbeit der Theater und Orchester.
Wer theaterferne Bevölkerungsgruppen erreichen wolle, brauche anstelle kurzfristiger Prestigeobjekte eine nachhaltige Strategie, die sich über mehrere Spielzeiten erstrecke. Gefragt seien Glaubwürdigkeit, Verbindlichkeit, Ernst und Authentizität. Der Weg der Theater und Orchester gehe dabei immer über die Kunst.Neben dieser grundsätzlichen Debatte waren Arbeitsergebnisse der Jahreshauptversammlung:
· Die Vergütungen, die die Theater für die Aufführungsrechte von urheberrechtlich geschützten Werken zahlen, werden um 3,5 Prozent erhöht. Damit wird trotz der finanziell angespannten Situation ein wichtiger Beitrag geleistet für das Schaffen der Autoren und Komponisten. Schon jetzt zahlen die Theater rund 29 Mio. Euro jährlich für den Erwerb von Urheberrechten, einschließlich der Abgaben an die GEMA.
· Verabschiedet wurde eine Resolution zum Bericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages "Kultur in Deutschland". Darin bezeichnet der Bühnenverein diesen Bericht als "eine hervorragende kulturpolitische Bestandsaufnahme".
· Der Bühnenverein fordert Länder und Kommunen auf, zu ihrer bisherigen Tarifgemeinschaft zurückzukehren. Erstmalig gibt es 2008 für den Öffentlichen Dienst unterschiedliche prozentuale Lohnerhöhungen bei Ländern und Kommunen. Da diese Lohnerhöhungen auch auf die Theater und Orchester übertragen werden, ist die Einheitlichkeit deren Vergütungsgefüges gefährdet. Denn es kommt in den Stadt- und Staatstheatern nun zu voneinander abweichenden Lohnerhöhungen. Gefordert wird auch, dass Länder und Kommunen die von ihnen veranlassten Lohnerhöhungen durch eine Erhöhung der Zuschüsse erhöhen. Die Theater und Orchester sind nicht in der Lage, die entsprechenden finanziellen Mittel selbst zu erwirtschaften.
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Resolution
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Deutscher Bühnenverein: Bericht der Enquete Kommission "Kultur in Deutschland" ist hervorragende kulturpolitische Bestandsaufnahme
Die Jahreshauptversammlung des Deutschen Bühnenvereins vom 12. bis 14. Juni 2008 in Kassel hat sich ausgiebig mit dem Bericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages "Kultur in Deutschland" befasst. Aus Sicht des Bühnenvereins ist dieser Bericht eine hervorragende kulturpolitische Bestandsaufnahme. Weite Teile der Empfehlungen der Enquete-Kommission wurden von der Jahreshauptversammlung positiv aufgenommen. Dies gilt insbesondere für die Empfehlungen, die sich auf die Theater und Orchester beziehen.
Das klare Bekenntnis der Enquete-Kommission zu "Ensemble" und "Repertoire" als wesentliche Strukturelemente des deutschen Stadt- und Staatstheaters sowie aller Landesbühnen ist ein wichtiges Signal für die Kulturpolitik von Ländern und Kommunen. Kein Land der Welt hat derartig viele öffentlich getragene und öffentlich finanzierte Ensemble- und Repertoiretheater wie die Bundesrepublik Deutschland. Das Anliegen der Enquete - Kommission, diese Betriebe mit ihrer künstlerischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu erhalten, kommt auch in den weiteren Detailempfehlungen des Enquete - Berichts zum Ausdruck. Zu den in diesem Sinne wichtigen Detailempfehlungen gehören nicht nur die vorgeschlagene Stärkung des Tendenzschutzes – also die künstlerischen Entscheidungsbefugnisse der Intendanten – im Verhältnis zu den Arbeitnehmervertretungen. Sehr detaillierte Anregungen wie etwa eine stärkere Öffnung des Arbeitszeitgesetzes zugunsten tarifvertraglicher Sonderregelungen zeugen von einer besonderen Sensibilität der Mitglieder der Enquete-Kommission für die Probleme der deutschen Theater und Orchester. Eine solche Öffnung käme gerade auch den Privattheatern entgegen. Kritisch beurteilt der Bühnenverein allerdings die uneingeschränkte Empfehlung der Rechtsform der GmbH für die Theater und Orchester.
Soweit die Enquete-Kommission empfiehlt, die Zuständigkeit für die Tarifverhandlungen auf einen einzigen Arbeitgeberverband zu übertragen, ist hervorzuheben, dass dies bezogen auf das künstlerische Personal bereits seit Jahrzehnten der Fall ist. Selbstverständlich ist der Bühnenverein auch bereit, die Tarifverhandlungen für das nichtkünstlerische Personal zu führen. Dass dies bisher nicht möglich ist, liegt vor allem an der ablehnenden Haltung der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Der Deutsche Bühnenverein wünscht sich auch mit dieser Gewerkschaft einen konstruktiven Dialog über die Zukunft der Theater. In diesen Dialog müssen selbstverständlich die beiden Arbeitgeberverbände des öffentlichen Dienstes, also die Vereinigung Kommunaler Arbeitgeberverbände und die Tarifgemeinschaft deutscher Länder, einbezogen werden.
Auch viele andere Empfehlungen, die sich nicht direkt auf die Theater und Orchester beziehen, finden die Unterstützung des Deutschen ühnenvereins. Dies gilt etwa für die Äußerungen der Enquete-Kommission zum Kulturauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die Empfehlungen zur sozialen Situation der Künstler oder die Empfehlungen zur kulturellen Bildung. Bedauert wird seitens des Bühnenvereins, dass manche der von ihm gemachten Vorschläge zur Weiterentwicklung des Urheberrechts von der Enquete - Kommission nicht in den Bericht aufgenommen wurden. Gerade für die Theater und Orchester bleibt das Urheberrecht in einzelnen Fragen noch hinter den tatsächlichen Bedürfnissen dieser Betriebe zurück.
Der Deutsche Bühnenverein fordert Bund, Länder und Gemeinden dazu auf, die Handlungsempfehlungen der Enquete - Kommission zu prüfen und die Vorschläge, die nach einer unter Beteiligung aller Betroffenen stattgefundenen Debatte für richtig befunden werden, umzusetzen.
http://www.buehnenverein.de
Literaturempfehlung :
Kultur in Deutschland. Schlussbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages