Der neue Staatsminister für Kultur und Medien, Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin, hat kurz vor seinem Amtsantritt für Ausregung gesorgt. Seine Äußerungen zur Gentechnik haben eine inhaltliche Debatte und einen Streit über seine Zuständigkeiten ausgelöst. Darf der sich denn dazu äußern, fragte sich nicht nur die Gesundheitsministerin.
Zumindest im deutschen Feuilleton ist die Frage längst entschieden. Hier wird nämlich schon seit geraumer Zeit heftig über die kulturelle Dimension der Gentechnik, von BSE und dem Arzneimittelbudgets diskutiert. In der gerade zu Ende gegangenen Ausstellung „Theatrum naturae et artis“ im Martin-Gropius-Bau in Berlin wurde anschaulich dargestellt, dass sich Wissenschaft und Medizin erst im letzten Jahrhundert fast gänzlich von der Kultur ablösten. Diese Ablösung hat die Wissenschaft von kulturellen Konventionen emanzipiert. Viele Entdeckungen und mancher Fortschritt sind gerade dieser „Freiheit der Wissenschaft“ zu verdanken. Aber die neuen Möglichkeiten der Wissenschaft gerade in der Gentechnik werfen auch zutiefst kulturelle Fragen auf. Und diese kulturellen Fragen müssen ebenso sorgfältig beantwortet werden wie die wissenschaftlichen. So gesehen hat sich Julian Nida-Rümelin nicht auf ein falsches Spielfeld begeben als er sich zur Gentechnik äußerte, sondern einfach seinen Job gemacht.
Für die Kulturverbände stellt sich die Frage aber auch. Müssten wir nicht unseren Job auch machen und Stellung beziehen in der aktuellen Debatte zur Gentechnik? Werden durch die Arzneimittelbudgets nicht elementare kulturelle Fragen berührt? Ist auf die Frage, ob man zur Markbereinigung 400.000 Rinder töten sollte nicht auch eine Antwort aus dem Kulturbereich nötig? Vielleicht ist das Keulen von Rindern dem ein oder anderen als kulturelles Thema auf den ersten Blick zu profan. „Tod oder Leben“, wie bei der Gentechnik, bei BSE und auch in der Gesundheitspolitik, ist aber das klassisches Thema für die Kultur, nicht nur in der Oper.
Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
(März 2001)
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