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Wie verändert sich nach dem gestigen Machtwechsel in Nordrhein Westfalen die Kulturpolitik des Landes? Bereits am 27. Januar stellte Jürgen Rüttgers (CDU) in der Diskussionsrunde „KULTUR MACHT NRW“ das kulturpolitische Konzept seiner Partei vor. Ob der künftige Landesvater sein Wahlversprechen hält, wird die Zukunft zeigen.
Die Schwerpunkte der künftigen Kulturpolitik in Nordrhein-Westfalen:1. Der Kulturhaushalt des Landes ist mittelfristig zu verdoppeln. Angesichts seiner derzeitigen Geringfügigkeit (0,2 – 0,3 % des Haushalts) ist dies weniger eine Frage der Finanzmittel als eine solche der richtigen Prioritätensetzung.
2. Oberste Priorität muss der Substanzerhalt unserer kulturellen Infrastruktur haben: Es geht nicht länger an, dass wir in unseren Theatern, Museen, Archiven und sonstigen Kultureinrichtungen wie beim Tanz auf der Titanic ein Event an das andere reihen, während die Gebäude, Magazine und darin befindliche Kulturschätze sprichwörtlich zugrunde gehen.
3. Insbesondere für die freien Theater müssen bürokratische Hemmnisse abgebaut werden. Dazu gehört: Die Übertragbarkeit öffentlicher Mittel in Folgejahre bzw. längerfristige Mittelzuweisungen müssen ebenso gewährleistet werden wie die arbeitsrechtliche Möglichkeit für Schauspielerinnen und Schauspieler zur Selbständigkeit.
4. Nordrhein-Westfalen ist ein Land der Medien, großer öffentlich-rechtlicher und privater Rundfunkanstalten, der Filmwirtschaft, der Verlage und anderer Medienunternehmen. Auch die Medien sind Träger der kulturellen Bildung. Daher muss die Politik den Medienstandort NRW besonders auch unter qualitativen Gesichtspunkten fördern und stärken. Die Medien müssen sich im Gegenzug darauf besinnen, dass sie einen Großteil ihrer Ressourcen einschließlich ihrer Mitarbeiterschaft aus Kunst und Kultur beziehen. Daher müssen sie Kunst und Kultur mehr als bisher fördern.
5. Kultur ist selbstverständlicher Bestandteil von Bildung – und umgekehrt. Kulturelle Bildung vom Kindes- bis zum Seniorenalter muss daher Vorrang haben. Aufgabe eines jeden Kulturinstituts und der in der Kultur Beschäftigten muss es sein, die ästhetische und kulturhistorische Bildung von Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und Senioren zu fördern. Künstlerinnen und Künstlern aller Sparten ist zu ermöglichen, in alle Schulen – und keineswegs nur in solche mit musischen Schwerpunkten – zu gehen, um Kinder und Jugendliche ästhetisch zu bilden und für Kreativität zu begeistern. Hierfür ist durch die Kultursekretariate oder andere Institutionen ein systematisches Fortbildungsprogramm für Künstler aufzubauen.
6. Die im schulischen Bereich ohnehin längst überfällige Begabtenförderung ist auch auf die Förderung musischer Begabungen auszuweiten. In den Schulen muss mehr Musik- und Kunstunterricht stattfinden. Dazu brauchen wir gut ausgebildete Lehrer, vor allem im Grundschulbereich.
7. Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft gehören zusammen und können sich gegenseitig befruchten. Die nordrhein-westfälische Akademie der Wissenschaften ist daher um die Sparten Kunst und Wirtschaft zu einer Akademie für Wissenschaft, Kunst und Wirtschaft zu erweitern und zu interdisziplinärer Zusammenarbeit zu animieren. Die bedeutendsten Köpfe aus Wissenschaft, Kunst und Wirtschaft Nordrhein-Westfalens sollen hier ihren Ort haben, um gemeinsam interessierende Fragen zu behandeln und die Landesregierung zu beraten.
8. Regierung und Parlament müssen sich wieder auf die Tradition des Mäzenatentums besinnen: Der Kauf von Kunst und die Vergabe von Auftragsarbeiten sind nach wie vor die beste Künstlerförderung. Die diesbezüglichen Mittel des Landes sind auf ein geradezu lächerliches Maß zusammengeschrumpft.
9. Das Land Nordrhein-Westfalen muss sich mehr als bisher mit den Städten zusammentun, um Kulturinstitute und -ereignisse von internationalem Rang hervorzubringen. Im Veranstaltungsbereich bietet sich hierfür eine verstärkte Zusammenarbeit mit den beiden Kultursekretariaten an, in denen viele kulturell aktive Kommunen des Landes bereits kooperieren. Die Kultursekretariate sind daher durch das Land zu stärken.
10. Die freie Szene ist durch eine Bündelung und Neuausrichtung der zahlreichen vom Land geförderten Büros und Verbände zu stärken und insbesondere in die kulturelle Bildung einzubeziehen. Auch Laienmusik und Laientheater verdienen hierbei höhere Aufmerksamkeit als ihnen bisher zukommt.
11. Die kommunalen Bibliotheken müssen besser und zielgerichteter gefördert werden: Die Zusammenarbeit zwischen Bibliotheken muss verstärkt werden, die Mitarbeiter vor allem kleinerer Bibliotheken brauchen mehr Fortbildungsangebote, die Bibliotheksversorgung in ländlichen Gebieten und in vergleichsweise kulturfernen Stadtteilen muss sichergestellt sein. Kleine Kommunen müssen gezielt gefördert werden.
12. Die regionale Kulturförderung muss neu organisiert werden: Die partielle Künstlichkeit der bisherigen Regionsgrenzen muss überwunden werden zugunsten der gewachsenen regionalen Identitäten. Die bestehenden Doppelstrukturen der Bezirksregierungen und Landschaftsverbände auch für die Kunst- und Kulturförderung müssen im Zuge der anstehenden Verwaltungsreform einer klaren Verantwortlichkeit der drei Regionen Westfalen-Lippe, Ruhrgebiet und Rheinland weichen.
13. Durch Initiative oder Unterstützung des Landes sind in allen Bereichen der Kultur Partnerschaftsmodelle zwischen öffentlichen und privaten Trägern zu entwickeln, um privates, insbesondere auch ehrenamtliches Engagement von Bürgern und Unternehmen zu fördern, ohne dass sich dabei die öffentlichen Hände aus der Förderung zurückziehen. Dies gilt für Institutionen der freien Szene genauso wie für die öffentlich-rechtlichen Einrichtungen. Instrumente dafür sind Rechtsformen wie Stiftungen, Gemeinnützige GmbHs oder eingetragene Vereine. Die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden oder Stiftungen muss durch eine Gesetzesinitiative des Landes deutlich verbessert werden.
Die gesamte zehnseitige Rede von Jürgen Rüttgers ist unter
http://www.cdu-nrw.de/media/downloads/cdunrw_1112167324_kulturpolitik-r…
einzusehen.