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Kultureller Kahlschlag in Niedersachsen

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Ministerium will acht Millionen Euro einsparen - Kulturschaffende sehen 1200 Einrichtungen gefährdet

Hannover (ddp-nrd). «Wir wollen alle Tage sparen und brauchen alle Tage mehr», schreibt Johann Wolfgang von Goethe im «Faust». Ein Widerspruch, den auch Niedersachsens Kulturminister Lutz Stratmann (CDU) nicht auflösen kann. Im Rahmen der Haushaltskonsolidierung sollen nach Angaben des Ministeriums im Kulturressort acht Millionen Euro eingespart werden. Vor allem im ländlichen Raum zeichnen die Kulturschaffenden deshalb ein düsteres Bild ihrer Zukunft.

Landesweit etwa 1200 nichtstaatliche Einrichtungen aus allen Sparten seien von den Einsparungen betroffen und in ihrer Existenz gefährdet, warnt die Sprecherin des Arbeitskreises Niedersächsischer Kulturverbände (akku), Kirsten Haß.

Ministeriumssprecher Thomas Philipp Reiter sieht die Lage weniger dramatisch. Der Minister beziehe alle Beteiligten und Betroffenen in die Planungen ein und wolle dem Landeskabinett bis 21. September ein Konzept vorlegen, in dem die zukünftige Kulturförderung skizziert werde, kündigte Reiter an.

Dabei macht er aber keinen Hehl daraus, dass so mancher Einrichtung schwere Zeiten bevorstehen. «Das Land leistet sich eine ganze Reihe luxuriöser Kulturförderprojekte, die nicht mehr finanzierbar sind», sagt Reiter. Ausgenommen von den Kürzungen seien jedoch die «schon völlig unterfinanzierten» sechs Landesmuseen und drei Staatstheater.

Gerade diese Ausnahme stößt den freien Kulturschaffenden jedoch sauer auf. «Minister Stratmann zerschlägt die Strukturen bürgerschaftlich getragener Kunst und Kultur in der Fläche und setzt stattdessen allein auf staatliche Einrichtungen in den Großstädten Hannover, Braunschweig und Oldenburg», kritisiert akku-Sprecherin Haß. Das zeuge von einem «einseitigen kulturpolitischen Verständnis».

Der Etat der Förderung nichtstaatlicher Kultur betrage 14 Millionen Euro. Davon seien 5 Millionen Euro vertraglich gebunden an Einrichtungen wie das Sprengel-Museum und die Kestner-Gesellschaft in Hannover, das Museumsdorf in Cloppenburg sowie die Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel, erläutert Haß. Die verbleibenden Mittel von 9 Millionen Euro sollten nun annähernd komplett gestrichen werden. Dabei mache die freie Kulturförderung ohnehin schon weniger als ein Prozent des Gesamtetats für Wissenschaft und Kultur aus.

Mit ihrem Vorgehen konterkariere die Landesregierung ihre erklärten Ziele. «Statt den ländlichen Raum zu stärken, setzt sie genau dort den Rotstift an und zerschlägt radikal Strukturen und kulturelle Versorgung», sagt Haß. Die Mehrzahl der nichtstaatlichen Kultureinrichtungen aller Sparten seien in Klein- und Mittelstädten und im ländlichen Raum angesiedelt.

Die geplanten Kürzungen hätten mittel- und langfristig «verheerende Folgen» für Literaturbüros, Musikschulen, Kulturvereine, freie Theater, Jugendkunstschulen, nichtstaatliche Museen, soziokulturelle Zentren und Kunstvereine. Laut Haß fließt der überwiegende Teil der Finanzmittel nichtstaatlicher Einrichtungen direkt in künstlerische Projekte, während die Verwaltungsausgaben dank schlanker Strukturen nur einen kleinen Anteil ausmachten - im Gegensatz zum staatlichen Kulturangebot.

Der Landesregierung fehle ein kulturpolitisches Konzept, beklagt die akku-Sprecherin: «Es gibt keine Ideen, wo man mit dem Kulturland Niedersachsen hin will.» Die Gründung einer Enquete-Kulturkommission auf Landesebene könne Abhilfe schaffen, schlägt Haß vor. Für September kündigte sie etliche dezentrale Aktionen im öffentlichen Raum an, um auf die Folgen des Sparkurses aufmerksam zu machen.

Holger Szyska