Hauptrubrik
Banner Full-Size

Letzte Premiere: Magdeburg schließt sein kommunales Kabarett

Publikationsdatum
Body

Im 26. Lebensjahr schlägt für Magdeburgs Kabarett «Die Kugelblitze» das letzte Stündlein. Am 1. Juli ist definitiv Schluss, die Elbestadt spart das Mini-Ensemble ein. Es gehört zu den ersten Opfern des drastischen Konsolidierungskurses der Kommune.

Magdeburg (ddp-lsa). Als unverbesserliche Optimisten stehen die Kabarettisten jetzt vor ihrer letzten Premiere, der 58 seit Gründung. «Für eine Handvoll Euro oder Totgesagte leben länger» heißt das Programm ab kommenden Freitag. Nomen es omen.

Kugelblitz-Chef Lars Johansen zuckt nur noch hilflos die Schultern. Den Abschied vom Publikum gelte es mit Anstand zu meistern. Vor allem im vergangenen Jahr habe man versucht, die Zuschüsse aus dem kommunalen Haushalt zu senken, nahm mit 70 000 Euro 27 Prozent weniger Zuschüsse in Anspruch als eingeplant. Das brachte nichts, das Votum der Stadträte war eindeutig und klar, die Lobby viel zu leise. Unnötige Eile werde jetzt aber der Stadt teuer zu stehen kommen, sagt Johansen. Alle Mitglieder des Ensembles hätten Verträge bis Mitte kommenden Jahres, könnten also noch bis zu diesem Zeitpunkt Geld einspielen. Doch es schein, so munkelt man, die Stadt will ihre eigenen Hofnarren «mundtot» machen.

Länger als zehn Jahre dauerte die Debatte um die Zukunft des letzten ostdeutschen Kabaretts in kommunaler Trägerschaft. Eine Privatisierung hatte es Mitte der 90er Jahre gegen den Rat vieler Freunde abgewendet, im Gegensatz zu anderen Ensembles in den neuen Bundesländern, die sich nach der Wende schnell für diesen Weg entschieden und bislang alle noch existieren. Die Magdeburger dagegen fusionierten 1996 mit dem Theater der Landeshauptstadt, damals begann der schleichende Tod. Vor drei Jahren mussten die Kugelblitze ihr angestammtes Domizil verlassen, das 1986 als einziger Kabarettneubau der DDR entstanden war. An seiner Stelle steht heute eine Bank. Die Kleine Bühne im städtischen Konservatorium, fortan Spielstätte des Ensembles, lies Flair und Atmosphäre vermissen. Publikum und Künstler fühlten sich dort gleichermaßen unwohl.

Die Entscheidung der Stadt mag Lars Johansen noch «irgendwie» nachvollziehen, nicht aber den Umgang miteinander. Viele Entscheidungen habe er erst aus der Zeitung erfahren, ganz zu schweigen von der einst gemachten Zusage, unter dem Theaterdach das Ensemble zu erhalten. Der Kabarettist aus Berufung, der vor einigen Jahren aus dem Westen nach Magdeburg kam, will Beharrungsvermögen beweisen. Längst steht für ihn fest, der Elbestadt trotz der Enttäuschung nicht den Rücken kehren zu wollen. Seine größte Hoffnung ist es, den traditionsreichen Namen «Die Kugelblitze» übernehmen zu dürfen. Mit kleiner und schlanker Besetzung möchte er weiter auf der Bühne stehen und vor allem aktuell-politische Programme spielen. Im Herbst hält er das erste Programm für möglich und notwendig, um das Publikum nicht zu enttäuschen.

Unverzichtbar sei eine ständige Spielstätte, weiß Johansen. Das könne eine Kneipe sein, die dem Kabarett Heimstatt bieten will. Und natürlich werde es Tourneen geben müssen, in der Region und auch deutschlandweit. Die Nachfrage sei da, ist sich der oberste Kabarettist sicher. Selbst aus einem Dorf vor den Toren Magdeburgs erreichte ihn bereits das Angebot des örtlichen Bürgermeisters, das dortige Kulturhaus als Dependance nutzen zu können.

Mit den Kugelblitzen verschwinden zwei Dinge aus dem kulturellen Leben der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts: Der vier Mal vergebene und anerkannte Kleinkunstpreis «Magdeburger Kugelblitz» und das bereits zehn Mal veranstaltete Magdeburger Festival der Satire, das MFS.

Daten zur Geschichte:
1977 wurde das Kabarett «Die Kugelblitze» gegründet. Vorausgegangen war ein Beschluss des Ministeriums für Kultur, der für alle Bezirke der DDR ein Berufskabarett forderte. Bereits im gleichen Jahr gab es im Kristallpalast der Elbestadt mit «Wir pfeifen an» die erste Premiere. 1986 bezog das Ensemble in der Innenstadt ein eigenes Domizil.

Knapp 650 000 Besucher sahen in 28 Jahren rund 4 500 Vorstellungen. Es gab 58 Inszenierungen. Zweimal wurden Stücke kurz vor der Premiere verboten. Es waren 1979 «Ach Du meine Güter» und 1988 «Der Fortschritt ist hinter uns her». Gegenwärtig stehen vier Kabarettisten und zwei Musiker auf der Bühne. Die durchschnittliche Auslastung liegt bei 70 Prozent. Im vergangenen Jahr gab die Kommune 220 000 Euro Zuschüsse für die Bühne.

Klaus-Peter Voigt

http://www.kugelblitze.de