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Masur und Kremer protestieren gegen Dresdner Sparpläne

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Mit Protestschreiben an Dresdens Oberbürgermeister Ingolf Roßberg (FDP) wollen renommierte Künstler den geplanten Einschnitten in der Dresdner Kulturlandschaft Einhalt gebieten.

Dresden (ddp). Star-Dirigent Kurt Masur warf der Stadt in einem am Sonntag öffentlich gewordenen Brief vor, durch ihre Politik die «in Jahrhunderten gewachsene musikalische Atmosphäre» Dresdens zu zerstören.

Masur betonte, durch Streichungen bei Ensembles sowie bei den Dresdner Musikfestspielen wäre der Image-Verlust für die Elbestadt katastrophal. Die Stadt riskiere, sich mitschuldig zu machen am Verlust des glanzvollen Dresdner Musiklebens. Bereits die Diskussion über ein Ende der Festspiele habe diesem Schaden zugefügt.

Auch Star-Geiger Gidon Kremer äußerte in einem Brief Bestürzung über die Vorhaben der Stadt. Die Festspiele bezeichnete er als Institution, die «eine äußerst wichtige Station in dem Konzertplan eines Musikers» darstellten. Hintergrund der Proteste sind Vorschläge der Stadt Dresden von Anfang Februar, Ostdeutschlands größtes klassisches Musikfestival aus Kostengründen 2006 zum letzten Mal stattfinden zu lassen. Bereits in der vergangenen Woche hatten sich zahlreiche Prominente in einer gemeinsamen öffentlichen Erklärung für den Erhalt der Dresdner Kultur eingesetzt. Zu den Unterzeichnern der «Dresdner Kulturinitiative» gehörten unter anderem die beiden Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) und Helmut Kohl (CDU), der Präsident der Leibnitz-Gemeinschaft Berlin, Hans-Olaf Henkel, der Leipziger Gewandhauskapellmeister, Herbert Blomstedt, und der Chefdirigent des MDR-Sinfonieorchesters, Fabio Luisi.


Offener Brief von Kurt Masur:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Roßberg,

Ich hoffe Sie verzeihen mir, wenn ich in meiner tiefen Dankbarkeit und innerlich stets vorhandenen Verbindung zu dem Dresdner Musikpublikum und den Dresdner musikalischen Institutionen diese Zeilen sende.

Dies ist kein Brief, dies ist ein Aufschrei! Sie sind im Begriff gemeinsam mit dem Rat der Stadt und dem Kulturamt eine in Jahrhunderten gewachsene musikalische Atmosphäre in dieser Stadt zu zerstören. Sicherlich gibt es in Deutschland auch Politiker, die Ihren Mut bewundern werden, aber ich möchte versuchen all denen die Augen zu öffnen für die es scheinbar selbstverständlich geworden ist, mit finanziellen Einsparungen bei der Kultur zu beginnen.

Das lebendigste Beispiel der Liebe der Dresdner zur Musik habe ich miterleben können. Frierende Menschen aus zerstörten Häusern konnten nichts besseres tun als in das Kurhaus Bühlau zu fahren um die ersten Opernaufführungen wiederzuerleben; die Dresdner Philharmonie hat durch ihre unermüdlichen Konzerte auch in kleinen Städten Sachsens und Thürigens eine ganze Generation von Musikliebhabern erzogen.

Die Atmosphäre Ihrer Stadt machte sie zum leuchtenden Beispiel für andere deutsche Städte die inzwischen begriffen haben, daß Musik nicht in den Bereich der Unterhaltung gehört sondern die Lebensqualität einer Stadt mitbestimmt. Die Dresdner Musikfestspiele haben innerhalb von zweieinhalb Wochen im letzten Jahr
150 000 Besucher erlebt. Die Dresdner Philharmonie verfügt über elftausend Anrechte und gibt rund 85 Konzerte im Jahr. Die Dresdner Staatsoper hat sich auch durch den Wiederaufbau der Semperoper sowohl die künstlerische Höhe als auch die internationale Attraktivität bewahren können.

Inzwischen haben die negativen Diskussionen in den Medien aufgrund der angekündigten Maßnahmen bereits zur Schädigung geführt. So gelten die Dresdner Musikfestspiele beispielweise bereits als gestrichen. So würde sich in kurzer Zeit die Qualität der Philharmonie bei den von Ihnen geplanten Reduzierungen nicht mehr halten lassen, weil große Orchesterwerke nur noch mit Aushilfsmusikern bestritten werden könnten.

Es gibt Städte in Deutschland, wie München und Köln, deren Führungspersönlichkeiten begriffen haben, daß jeder Besucher der musikalischen Veranstaltungen auch gleichzeitig eine Einnahmequelle darstellt.

Staatskapelle Dresden; Staatsoper; Dresdner Philharmonie und Dresdner Musikfestspiele müssen in ihrer internationalen Bedeutung erhalten bleiben ? für die Dresdner und Ihre Besucher, sonst wäre der Image-Verlust für Dresden katastrophal.

Ich hoffe, daß niemand von allen verantwortlichen Persönlichkeiten der Stadt riskieren will mitschuldig zu sein beim Verlust des glanzvollen Musiklebens dieser Stadt.

Ich erkläre mich mit Allen solidarisch, die dagegen protestieren und demonstrieren werden. Sie, sehr verehrter Herr Oberbürgermeister, haben in diesem Augenblick eine Schlüsselrolle, um die ich Sie nicht beneide, aber bei deren positiven Lösung Sie der Liebe der Dresdner sicher sein können.

Mit besten Wünschen

Ihr Kurt Masur


Stellungnahme von Gidon Kremer, Carte-blanche-Künstler der Dresdner Musikfestspiele 2003:

"mit großer Bestürzung erfahre ich in Asien von der bevorstehenden Schließung der wunderbaren Einrichtung der Dresdner Festpiele. Noch letztes Jahr waren wir, die Kremerata Baltica und ich zu Gast eine ganze Woche bei den Festspielen und konnten nicht nur die schönen Spielorte, sondern und vor allem das hier gewachsene sehr besondere Publikum genießen. Die sorgfälitige Programmation, zeugt davon, daß sowohl das Publikum wie auch die Künstler zu ihrem Recht kommen, und dies alles zusammen macht aus dieser Institution eine äußerst wichtige Station in dem Konzertplan eines Musikers. Wir brauchen nicht nur Konzerte, sondern auch die richtigen Konzerte".

Gidon Kremer