Seit über zehn Jahren wird in Thüringen um eine neue Theaterstruktur gerungen. Viel ist bislang allerdings nicht herausgekommen. Die zunächst als beispielhaft hoch gelobte Fusion der Bühnen Altenburg und Gera entblätterte sich als Flop – weniger Theater, weniger Kunst. Die Theaterkooperative Eisenach-Rudolstadt-Saalfeld wurstelt still vor sich hin. Und die ministeriell geplante Ehe Erfurt–Weimar wurde durch Bürgerwillen in der Klassiker-Stadt verhindert.
Seit über zehn Jahren wird in Thüringen um eine neue Theaterstruktur gerungen. Viel ist bislang allerdings nicht herausgekommen. Die zunächst als beispielhaft hoch gelobte Fusion der Bühnen Altenburg und Gera entblätterte sich als Flop – weniger Theater, weniger Kunst. Die Theaterkooperative Eisenach-Rudolstadt-Saalfeld wurstelt still vor sich hin. Und die ministeriell geplante Ehe Erfurt–Weimar wurde durch Bürgerwillen in der Klassiker-Stadt verhindert.Da ist es zunächst einmal zu begrüßen, dass Ministerpräsident Bernhard Vogel die andauernde Strukturdebatte zur Chefsache erklärt hat, um sie nun endlich und schnell zu beenden. Denn seine Kunst- und Wissenschaftsminis-terin Dagmar Schipanski ist mit ihrem Konzept – Fusion Erfurt–Weimar und ein Landesbühnen-ähnlicher Verbund der kleinen Bühnen von Eisenach bis Nordhausen – ziemlich kläglich gescheitert.Weil im Herbst die Diskussion um den Doppelhaushalt 2003/2004 beginnt, und die jetzigen Verträge der Theater und Orchester Ende 2003 auslaufen, drängt Vogel nun zur Eile – und setzt die Intendanten unter Druck. Bis zum 21. Juli haben sie ein von den jeweiligen Trägern akzeptiertes Konzept vorzulegen. Dieses wiederum muss vor allem jedoch das Wohlgefallen des Landes finden. Sonst kann es passieren, dass die Fördergunst entzogen wird. Auf diese Weise ist schon 1995 – noch unter dem SPD-Kunstminister Schuchardt – die Fusion Altenburg–Gera vollzogen worden.
Was also Bernhard Vogel den Theatern nun zumutet, ist schlicht deren Selbstabschaffung oder zumindest die reihenweise Abwicklung einzelner Sparten. Denn die Crux ist, dass die Landesmittel von bislang 60 Millionen Euro auf gar keinen Fall erhöht werden. Ebenso können die kommunalen Träger ihre 50 Millionen Euro Zuschüsse nicht mehr steigern. Allein durch Tariferhöhungen fallen aber bis 2007 insgesamt 20 Millionen Euro Mehrkosten an.
Da kann sich Vogel auch noch so stolz auf die Brust schlagen, dass Thüringen bei der Förderung der Theater in Deutschland an der Spitze liegt. (Im Bundesdurchschnitt geben die Länder pro Kopf der Bevölkerung 12 Euro für ihre Theater aus, in Thüringen sind es 24 Euro. Eine Theaterkarte wird im Schnitt mit 90 Euro gefördert, in Thüringen mit 112 Euro.) Der Zuschusskarren ist festgefahren und nur wieder flott zu machen durch steigende Subventionen. Das aber kann man nach Lage der Dinge wohl ausschließen. Also bleibt nur weiterer Personalabbau. (Rund 90 Prozent der Kosten am Theater sind Personalkosten.) Aber die Reihen der Mitarbeiter an den Thüringer Bühnen haben sich bereits schon bis an die Schmerzgrenze gelichtet.
René Serge Mund, Generalintendant der Dreisparten-Bühne Altenburg-Gera, kann ein Lied davon singen. Denn der Etat wurde ihm bereits vor zwei Jahren schon einmal um etwa 4 Millionen auf 16 Millionen Euro gekürzt. Das hatte die Entlassung von 100 Mitarbeitern zur Folge, vor allem aus den technischen Bereichen. Zudem verzichteten die Orchestermitglieder auf ihr 13. Monatsgehalt. Da Mund allein nicht im Stande ist, die künftig anfallenden Tariferhöhungen zu kompensieren, wird ihm nichts anderes übrig bleiben – bei den technischen Bereichen ist nichts mehr zu holen – eine oder vielleicht sogar zwei Sparten zu schließen. Zur Erinnerung: Begründet wurde die Fusion einst damit, dass in Altenburg und Gera das Dreisparten-Angebot erhalten werden sollte. Aber das ist eben Schnee von gestern. Denn für Thüringens Ministerpräsidenten ist die Zeit der Dreisparten-Theater abgelaufen. Neue Konzepte seien notwendig. Und er liefert auch gleich die Richtung mit: Alle Bühnen sollen weiterbespielt werden und ein Dreisparten-Angebot bereithalten. Aber nicht an jedem Theater solle produziert werden. Denkt man das konsequent zu Ende, läuft alles auf die Abwicklung ganzer Ensembles einschließlich mehrerer Orchester und die Installierung einer Schauspiel- und einer Musiktheater-Reisebühne mit Ballett hinaus. Über die Konsequenzen seines überraschenden Vorstoßes hat der Ministerpräsident vielleicht nachgedacht, jedoch nicht öffentlich gesprochen. Aber wenn dies kulturpolitisch gewollt ist, sollte er sich auch dazu bekennen. Denn besagter Prozess befindet sich schon längst nicht mehr auf der Ebene einer offenen Strukturdebatte. Er hat in Wahrheit schon begonnen. Nachdem die Fusion mit Weimar gescheitert war, gab Erfurts designierter Intendant Guy Montavon flugs die Schließung des Schauspiels und des Kinder- und Jugendtheaters sowie die Konzentration aufs Musiktheater bekannt. Auch das Nordhäuser Theater signalisiert die Notwendigkeit eines Spartenabbaus, ebenso Altenburg-Gera. Darüber nachgedacht wird im Verbund Eisenach-Saalfeld-Rudolstadt. Relative Ruhe herrscht noch am Staatstheater Meiningen.
Doch nach Lage der Dinge kann dies nur eine trügerische sein. Solange die Decklung der Landeszuschüsse gesetzt ist, und weder die Kommunen noch die Theater in der Lage sind, die Tarifsteigerungen abzufangen, kann das nur zu einem schmerzlichen Personalabbau und einer drastischen Verringerung des Theaterangebotes in Thüringen führen. So gesehen ist die vom Regierungschef beschworene Strukturdebatte lediglich eine Scheindebatte.
Ob der Weg des Deutschen Nationaltheaters Weimar zur Bewahrung seiner Eigenständigkeit – natürlich als Dreisparten-Haus – auch ein Ausweg aus der beschriebenen Misere ist, bleibt abzuwarten. Das Konzept von Generalintendant Stephan Märkis sieht unter anderem Haustarifverträge, den Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie ein Prämien- und Bonussystem vor. Dazu braucht er aber die Zustimmung aller Mitarbeiter. Die steht allerdings noch aus. Und die Gewerkschaften sowie viele Intendanten laufen Sturm gegen das Weimarer Modell. Sie fürchten die Aushöhlung der Tarifverträge und eine Entsolidarisierung unter den Theatern.
Überdies geht Märki von der gleichbleibenden Förderung von Land und Stadt in Höhe von jährlich rund 21 Millionen Euro aus. Doch da sich das Nationaltheater hinsichtlicht der Fusionsverweigerung mit Erfurt höchst unbotmäßig gezeigt hat, ist es wohl fragwürdig, ob die Subventionen in dieser Höhe weiterfließen. Denn wie gesagt: Landeszuschüsse verpflichten, so Bernhard Vogel, die Theater zur Kooperation. Bei allen Ungeklärtheiten, bei aller Ungewissheit, eines lässt sich schon jetzt schlussfolgern: Wenn sich das Land in seiner Subventionspolitik nicht bewegt, droht der Thüringer Theaterlandschaft ein Kahlschlag bislang nicht gekannten Ausmaßes.