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Mieter befürchten das Ende der «Museumsmeile» Prora

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Die Mieter der so genannten Museumsmeile in Prora auf Rügen befürchten ein «systematisches Zerschlagen» ihres Kunst- und Kulturangebots durch den neuen Eigentümer.

Berlin (ddp-nrd). Nachdem der Haushaltsausschuss des Bundestages Ende Februar den Verkauf des Blocks 3 im ehemaligen Kraft-durch-Freude-Seebad der NS-Zeit beschlossen hatte, bestehe die «Gefahr, dass die Immobilie künftig ausschließlich kommerziellen Verwertungsinteressen dient», sagte der Leiter der Stiftung Neue Kultur, Jürgen Rostock, am Donnerstag in Berlin, der das Dokumentationszentrum Prora betreibt.
Die Pläne des neuen Besitzers sehen eine Umgestaltung des denkmalgeschützten Blocks vor. So sind laut Rostock ein Jugendsporthotel und eine Behindertenherberge geplant. Bei dem neuen Inhaber handelt es sich um die «Inselbogen GmbH», einem Zusammenschluss mittelständischer Unternehmen aus Westfalen unter Federführung der Kunstkulturstadt Prora des privaten Museumsbetreibers Kurt Meyer. Nach der Wende wurde der Bund Eigentümer. Zahlreiche Galerien, Museen und ein wissenschaftliches Forschungszentrum siedelten sich an.
Rostock und die weiteren Mieter des Blocks 3 bezeichneten die jetzt vom Parlament bestätigte Privatisierung als «Skandal». Das Bundeskanzleramt habe nach jahrelangen Streitereien im Dezember 2003 zugesichert, dass der Verkauf des Gebäudes nur in Übereinstimmung mit dem Landkreis und der Gemeinde auf Rügen erfolge, die aber die «Museumsmeile» erhalten wollten und einer Veräußerung ablehnend gegenüberstünden.
Zugleich warfen die Mieter dem Bundesfinanzministerium vor, im vergangenen Jahr alle anderen vorliegenden Kaufverträge ignoriert zu haben, darunter Angebote der Mietergemeinschaft und einzelner Einrichtungen. Sie forderten den Bund als Noch-Eigentümer auf, den «skandalösen» Kaufvertrag mit der Inselbogen GmbH rückgängig zu machen und eine Neubearbeitung des Vorgangs einzuleiten. Bislang sei der neue Besitzer noch nicht ins Grundbuch eingetragen worden, sagte Rostock, der im Namen der Mieter zugleich ankündigte, rechtliche Schritte gegen den Verkauf prüfen zu wollen.

Seebad für die «Volksgemeinschaft» - Der KdF-Koloss in Prora
Prora (ddp-nrd). An Rügens Nordküste erinnern fünf gigantische Wohnblöcke an die frühere nationalsozialistische Freizeitorganisation «Kraft-durch-Freude» (KdF). Jeder ist 500 Meter lang und mit 2000 Räumen ausgestattet, die je 2,5 mal 5 Meter groß sind.
Im Sommer 1935 hatte der Leiter der KdF-Organisation, Robert Ley, den Bau von fünf KdF-Seebädern mit einer Kapazität für jeweils 20 000 Urlauber angekündigt. Das erste sollte auf Rügen errichtet werden. Im Zehn-Tage-Rhythmus sollte hier die «Volksgemeinschaft» einen Urlaub unter permanenter Kontrolle verbringen und zugleich im Sinne der geistigen Kriegsvorbereitung ideologisch beeinflusst werden.
Rügens damaliger Fürst zu Putbus, Malte von Veltheim, hatte das Baugrundstück 1935 erworben. Neun Monate später wurde der Grundstein für die KdF-Blöcke gelegt. 1938 begann der Hochbau für die acht geplanten Unterkunftshäuser. Ergänzt werden sollte der Komplex durch eine zentrale Pfeilerhalle mit Festplatz für propagandistische Großveranstaltungen mit bis zu 20 000 Menschen sowie eine bastionsartige Treppenanlage, an der KdF-Kreuzfahrtschiffe anlegen sollten.
Nach 17 Monaten Bauzeit wurden die Arbeiten an dem weitgehend fertiggestellten Rohbau drastisch reduziert. 1943 wurden die Arbeiten ganz eingestellt. Nach Kriegsende wurde die KdF-Anlage bis Anfang 1947 von der Sowjetarmee bezogen. Um für den Wohnungsbau an die Ziegel zu kommen, wurden Teile der Anlage gesprengt.
Soldaten der Kasernierten Volkspolizei bauten den «Koloss von Prora» in den 50er Jahren zu einem Kasernenkomplex mit angegliedertem Erholungsheim für Offiziere aus. Nach Auflösung der NVA und der Räumung des Komplexes wurde der teilweise unter Denkmalschutz stehende Architekturtorso 1990 für die Öffentlichkeit freigegeben.