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«Unerträglicher Zustand» - Streit um Rechtschreibreform beschäftigt Ministerpräsidentenkonferenz - Länder-Chefs mahnen Konsens an
Berlin (ddp). Der Streit um die Rechtschreibreform beschäftigt nun auch die Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin. Vor Beginn der Jahreskonferenz der 16 Länder-Regierungschefs machten sich mehrere Ministerpräsidenten am Donnerstag für neue Konsensbemühungen stark. Niedersachsens Regierungschef Christian Wulff (CDU) sagte, er sei zwar ein Gegner des neuen Regelwerks, doch ein «Zurück zur alten Rechtschreibung» werde es nicht geben.Schließlich gelte in dieser Frage das Einstimmigkeitsprinzip, und nicht alle 16 Bundesländer befürworteten eine Rücknahme der Reform, fügte Wulff hinzu. Er sehe aber eine «kleine Chance», den Rat für deutsche Sprache fairer zu besetzen und dabei auch mehr Gegner der neuen Rechtschreibung zu berücksichtigen, um so einen Konsens zu ermöglichen.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) erteilte einer Rücknahme der Reform eine klare Absage. «Die Kinder lernen seit sechs Jahren nach dieser Rechtschreibreform», sagte er. Es mache aber «Sinn, einen Rat für deutsche Sprache zu berufen, der gegebenenfalls zu überprüfen hat, welche Veränderungen es geben soll». Dies sei jedoch nicht Sache der Politik. Vielmehr müsse das Thema «entpolitisiert» werden. Er kritisierte zugleich den «Druck» einzelner Zeitungsverlage zur Rücknahme der Reform.
Steinbrücks saarländischer Amtskollege Peter Müller (CDU) nannte es dagegen einen «unerträglichen Zustand», wenn in den Schulen «nach den neuen Regeln gelernt und gelehrt wird, gleichzeitig aber in den Zeitungen nach den alten Regeln publiziert wird». Daher müsse sich der Rat für Rechtschreibung mit dem Thema beschäftigen und dabei die Einwände der Kritiker berücksichtigen. Auf dieser Grundlage solle dann möglichst zum 1. August 2005 eine Konsenslösung vorgeschlagen werden. Müller fügte hinzu, er sehe bei der neuen Rechtschreibung «erheblichen Korrekturbedarf» etwa bei der Groß- und Kleinschreibung, der Zusammenschreibung und der Interpunktion.
Auch Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) plädierte dafür, «offene Fragen» wie die Eindeutschung von Fremdwörtern oder die Interpunktion im für die Rechtschreibung zuständigen Rat noch einmal aufzugreifen. Dabei hoffe er, dass bis Anfang August nächsten Jahres «einige wichtige Streitpunkte geklärt» seien und dann ein Konsens zwischen Gegnern und Befürwortern der Rechtschreibreform gefunden werden könne.
Thüringens Regierungschef Dieter Althaus (CDU) mahnte, nachdem es nun jahrzehntelange Reformdiskussionen gegeben habe, müsse am Ende festgehalten werden, dass ein «im Grundsatz akzeptables» Ergebnis erreicht worden sei. Nun könnten noch einige Details von einer Expertengruppe überarbeitet werden, «und dann sollte auch der Strich gezogen werden», mahnte der CDU-Politiker. Schließlich lernten die Kinder in Deutschland, Österreich und der Schweiz schon seit mehreren Jahren nach den neuen Regeln.
Helmut Stoltenberg