Leere Kassen, rekordverdächtige Arbeitslosenzahlen, ein marodes Gesundheitssystem – die Bundesregierung hat viel zu tun. Mit der Agenda 2010 soll nun alles besser werden. Und plötzlich steht eine ganz andere Frage im Raum: Die Frage nach der Situation der deutschen Breitenkultur. Insgesamt 57 Fragen hat sich die Opposition hierzu einfallen lassen, mit dem Ziel, dass dieser Bereich des kulturellen Lebens mehr Beachtung findet.
Deutschland wirkt wie ein einziges Problemfeld. Die Reformdiskussion, wie man den Kahn wieder flott kriegt, dreht sich im Kreis, und die Anzahl derer, die noch durchblicken schrumpft. Ein neues Abkürzungsdeutschland wird derzeit geschaffen, das alte wurde von den Fantastischen Vier bereits besungen. Heutzutage ist bei Hartz IV, Alg II, SGB XII kaum mehr einem zum singen zu Mute. Aber der Bürger lernt das neuen Kürzel-AbisZ mit römischen Ziffern kombiniert fleißig mit und ist gespannt, was sonst noch droht. Die Einsparungen, die landauf, landab getroffen werden erstrecken sich auf vielerlei Bereiche und fordern immer mehr ehrenamtliches Engagement. Auch im kulturellen Bereich. Und genau dieses Problemfeld versuchen Unionspolitiker jetzt in den Fokus zu rücken.
Deshalb reichten Bundestagabgeordnete und die Fraktion der CDU/CSU Mitte November eine Große Anfrage bei der Bundesregierung ein. Diese trägt den Titel „Situation der Breitenkultur in Deutschland“. Federführend hierbei waren die Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der Enquete-Kommission Kultur in Deutschland Gitta Connemann und der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bötsch. Beide stehen auch gemeinsam der Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände als Präsident und Vizepräsidentin vor. Die Wahl des Instruments der Großen Anfrage zeigt, dass den Abgeordneten die Angelegenheit sehr wichtig ist. Denn im Gegensatz zur Kleine Anfrage, die die Bundesregierung nur schriftlich beantworten müsste, zieht die Große Anfrage in der Regel eine Diskussion im Bundestag nach sich. Dies geschieht dann innerhalb einer Fragestunde des Bundestags. „Die Große Anfrage kann nur mit der Fraktion gemeinsam gestellt werden“, erklärt Gitta Connemann. Sie sei sehr dankbar, dass die Fraktion mitgezogen habe. Da die Situation der Breitenkultur dringend mehr Öffentlichkeit benötige.
Doch was verbirgt sich eigentlich hinter dem Begriff der Breitenkultur? Ein anderer, gebräuchlicherer Begriff für Breitenkultur ist Laienkultur. Nun ist „Laie“ in der Umgangssprache keine positiv besetzte Bezeichnung, denn gemeint ist damit ein Nichtfachmann. Da aber nicht jeder Zugehörige der Laienkultur nichts von seinem Fach versteht, verständigte man sich auf den Begriff der Breitenkultur, was sich immer mehr durchsetzt. Die Breitenkultur erstreckt sich über den Musik- und Theatersektor bis hin zur Pflege von Kultureinrichtungen wie beispielsweise Museen und Bibliotheken, aber auch die von Brauchtümern. Nun ist Kultur nicht einfach da. Das Schaffen und Erhalten von Kultur erfordert Arbeit und diese wird in den genannten Bereichen hauptsächlich von Ehrenamtlichen geleistet. Etwa 3,5 Millionen Menschen sollen in Deutschland im Kulturbereich bürgerschaftlich aktiv sein. Doch seien die Bedingungen unter denen dieses ehrenamtliche Engagement geleistet werden, bisher nur punktuell und nicht losgelöst von anderen Fragestellungen untersucht worden, lautet es in der Begründung der Anfrage.
Das soll sich jetzt ändern. Die Unionsfraktion erhofft sich von der Großen Anfrage nun, „dass danach mehr Daten und Fakten über diesen Kulturbereich bekannt werden und die Bundesregierung von der großen Bedeutung der Breitenkultur überzeugt wird“, sagt Gitta Connemann. Das Instrument der Großen Anfrage habe man dem der Kleinen Anfrage vorgezogen, da so anschließend eine parlamentarische Debatte darüber erfolge. Sie habe die Hoffnung, dass die Diskussion darum grundsätzliche Ausstrahlung auf die Bedeutung der Breitenkultur habe. Connemann ist der Ansicht, dass die zuständige Kulturstaatsministerin Christina Weiss der Breitenkultur keine Beachtung schenke. „Es nützt nichts, wenn führende Politiker jede Oper besuchen, aber die Breite aus den Augen verlieren“, sagt die Bundestagsabgeordnete. Der Fragenkatalog, den die Bundesregierung nun vorliegen hat, enthält 57 Fragen, die sich von der allgemeinen Situation der Breitenkultur über die rechtlichen Rahmenbedingungen, wie das Vereins- und Steuerrecht erstrecken. So droht beispielsweise ehrenamtlich tätigen Vorstandsmitgliedern von Vereinen unter bestimmten Umständen eine Haftung mit ihrem Privatvermögen. „Das ist ein Missstand, den die Bundesregierung dringend beseitigen muss“, sagt Connemann. Dieser Zustand sei ein Wahnsinn, denn früher habe es bei ehrenamtlicher Tätigkeit kaum finanzielle Risiken gegeben. Des Weiteren hat sich die Bundesregierung mit der Bedeutung der Breitenkultur für die Jugend und für Senioren zu beschäftigen aber auch damit, wie sie ihre Fördermitteln verteilt. Der letzte Themenabschnitt der Großen Anfrage erstreckt sich auf das Feld Arbeit und Beschäftigung. Hier interessiert die Christdemokraten unter anderem, ob die Bundesregierung plant, dass Empfänger von Arbeitslosengeld II bei entsprechender Qualifikation auch an Vereine im Bereich der Breitenkultur vermittelt werden. „Natürlich dürfen die Ein-Euro-Jobs nicht dazu führen, dass Jobs verdrängt werden“, erklärt Connemann, aber sie sei dafür darüber nachzudenken, wie ein sinnvoller Einsatz von Alg-II-Empfängern in diesem Bereich aussehen könnte. „Es steht zu befürchten, dass wir ganz schnoddrige Antworten bekommen“, sagt Connemann. Natürlich hoffe sie dies nicht, denn dann könne man die Bundesregierung in die Pflicht nehmen.