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Mit der Nationalmannschaft im Singen auf Tour

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Ein Interview mit dem Leiter und Gründer des Tölzer Knabenchores Gerhard Schmidt-Gaden
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Als Motto gab sich Gerhard Schmidt-Gaden, der seit 1956 den Tölzer Knabenchor leitet: „Spaß an der Musik. Bei der Ausbildung der jungen Sänger verbanne ich jeglichen Intellektualismus und fördere statt dessen Fantasie und Kreativität. Jeder Sänger soll Eigenverantwortlichkeit übernehmen können.“ Als junger Mann von 19 Jahren hat er den Chor gegründet; zu einer Zeit, als sich alles musikalische Tun in Aufbruchstimmung befand. Bis heute vermochte Schmidt-Gaden den Tölzer Knabenchor auf ein absolutes Spitzenniveau zu entwickeln und zu halten. Pro Jahr verzeichnet man heute etwa 250 Auftritte unterschiedlicher Gruppierungen in Konzerten oder beim solistischen Mitwirken in Opernaufführungen. Reinhard Schulz hat sich mit Gerhard Schmidt-Gaden über die Perspektiven des Tölzer Knabenchors und über heutige Probleme der jungen Sängerheranbildung unterhalten.

Als Motto gab sich Gerhard Schmidt-Gaden, der seit 1956 den Tölzer Knabenchor leitet: „Spaß an der Musik. Bei der Ausbildung der jungen Sänger verbanne ich jeglichen Intellektualismus und fördere statt dessen Fantasie und Kreativität. Jeder Sänger soll Eigenverantwortlichkeit übernehmen können.“ Als junger Mann von 19 Jahren hat er den Chor gegründet; zu einer Zeit, als sich alles musikalische Tun in Aufbruchstimmung befand. Bis heute vermochte Schmidt-Gaden den Tölzer Knabenchor auf ein absolutes Spitzenniveau zu entwickeln und zu halten. Pro Jahr verzeichnet man heute etwa 250 Auftritte unterschiedlicher Gruppierungen in Konzerten oder beim solistischen Mitwirken in Opernaufführungen. Reinhard Schulz hat sich mit Gerhard Schmidt-Gaden über die Perspektiven des Tölzer Knabenchors und über heutige Probleme der jungen Sängerheranbildung unterhalten. nmz: Herr Schmidt-Gaden, Sie haben eine umfassende Ausbildung als Sänger und als Chorleiter erhalten, darunter in den 50er-Jahren beim Thomaskantor Kurt Thomas in Leipzig und bei vielen bedeutenden Sängern, zum Beispiel bei Helge Rosvaenge, Otto Iro und Julius Patzak. Wie kam es denn zur Gründung des Tölzer Knabenchors?

Gerhard Schmidt-Gaden: Ich hatte in Tölz schon als Student einen Chor gegründet. Und dann erfuhr ich in Leipzig, dass Bach für seine Aufführungen in der Regel drei Sänger pro Stimme eingesetzt hat. Der Thomanerchor war damals groß besetzt und er wurde hauptsächlich durch strengen Drill zusammen gehalten. Ich wollte einen anderen Weg einschlagen und der Tölzer Knabenchor entstand gewissermaßen als Absetzung davon.

Wie war denn der Zulauf am Anfang?

Schmidt-Gaden: Es war von Anfang an schwierig und nur in pausenloser Arbeit zu bewerkstelligen. Als Ideal schwebte mir ein kleines Solistenensemble vor, wo jeder völlig frei solistisch zu singen vermag und sich ebenso homogen in den Chorklang einordnet.

Bei einem Knabenchor ergibt sich ja immer wieder das Problem des Stimmbruchs. Die Zeit für die Ausbildung ist kurz.

Schmidt-Gaden: Ja, und in dieser Zeit ist immer wieder ein Spitzenensemble zu formen. Das hat auch Vorteile. Denn wir sind immer zu äußerster Effektivität gezwungen. Wenn die Knaben dann in den Stimmbruch kommen, dann müssen sie freilich ausscheiden. Doch verloren ist dabei für die einzelnen Sänger nichts. Die Technik bleibt und als Sänger kann man sich so später drei oder vier Jahre Gesangsausbildung sparen.

Sie legen großen Wert auf die individuelle, die solistische Ausbildung der Knaben. Stimmbildung steht beim Tölzer Knabenchor ganz oben.

Schmidt-Gaden: Ja, wir haben heute sieben Stimmbildner, die die einzelnen Knaben individuell betreuen. Kaum ein anderer Knabenchor legt so viel Gewicht darauf. Aber für mich ist Stimmbildung das A und O der Chorarbeit.

Bevorzugen Sie eine gewisse Methode der Stimmbildung?

Schmidt-Gaden: Ich kenne viele. Aber meine Erfahrung ist, dass sie oft zu abgehoben sind. Vieles beim Singen ist ganz fundamental. Die Stimme muss frei werden. Und dafür gilt es in erster Linie, individuelle Fehler zu vermeiden. Denn der Ton der Stimme geht dort hin, wohin man ihn lässt. Er muss sich kugelförmig entfalten können. Jede Stimme ist anders, jede Psyche ist anders. Darauf versuchen wir genau einzugehen. Ich habe sogar einen Psychologen, der mich immer wieder berät. Und ohne ihn hätte ich gewiss viele Fehler gemacht. Es gibt Kinder, die wollen sich immer an vorderster Stelle produzieren, andere verstecken sich lieber. Wieder andere sind ständig unruhig und abgelenkt. Das kann ganz unterschiedliche Gründe haben: Übertriebene Anforderungen der Eltern oder auch Ablehnung von zu Hause, etwa wenn die schulischen Leistungen sinken. Auch der Leistungsdruck der Schule kann darauf einwirken. Da gilt es immer, die Voraussetzungen zu klären und dann zum Beispiel über Gespräche mit den Betreffenden zu bereinigen.

Stellen sich bei den Kindern manchmal Gefühle der Unlust ein?

Schmidt-Gaden: Ja auch dies. Denn die Knaben haben ja gewissermaßen neben der Schule einen zweiten Job zu machen. Wir versuchen immer, gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Jedes Kind kann zum Beispiel kostenlos Nachhilfestunden erhalten, bei längeren Konzertreisen fährt auch immer ein Lehrer mit. Wir betonen immer, dass die Knaben gewissermaßen eine Nationalmannschaft im Singen bilden, was die viele Mühe wert macht. Sind die Widerstände dennoch zu groß, dann muss der Betreffende ausscheiden. Und Gottseidank haben wir eine große Reservebank.

Sie haben nun fast 50 Jahre Chorentwicklung und besonders die Entwicklung der Knabenchöre aus nächster Nähe mitverfolgt. Was hat sich in dieser Zeit verändert?

Schmidt-Gaden: Feststellen lässt sich ganz deutlich, dass die chorische Technik viel besser geworden ist. Tempi etwa, die 1960 noch nicht denkbar waren, stellen heute aus technischer Sicht kein Problem mehr da. Dann aber kam im letzten halben Jahrhundert das Bewusstsein für den sogenannten Originalklang auf. Doch hiervon muss die Knabenchorbewegung im Wesentlichen enttäuscht sein. Da wird sehr viel Wert gelegt auf alte Instrumente, alte Stimmungen, alte Ausführungstechniken. Doch der dafür in der Alten Musik mindestens ebenso maßgebliche Klang von Knabenstimmen, die ja auf Grund der Muskelkonstitution nicht mit Frauenstimmen zu vergleichen sind, findet in der historischen Aufführungspraxis weit weniger Berücksichtigung.

Herr Schmidt-Gaden, nach fast 50 Jahren Chorarbeit müssen Sie nun auch über Ihre Nachfolge nachdenken. Wie geht es weiter mit dem Tölzer Knabenchor?

Schmidt-Gaden: Ich beginne, mehr und mehr Verantwortungen an die Stimmbildner zu übertragen. Und da habe ich ganz glückliche Erlebnisse. Gerade gelang es uns, von der Schörghuber Unternehmensgruppe eine langfristige finanzielle Unterstützung zu bekommen. Wir haben jetzt ein Polster von 500.000 Mark pro Jahr. Die restlichen 1,5 Millionen Mark müssen wir einsingen. Von den Aufträgen her können wir das ohne weiteres schaffen, doch wir dürfen natürlich den Knaben das Singen nicht zur Last machen.

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