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Musikalische Sommersprossen

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Ein Rückblick auf den diesjährigen Festivalsommer
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Von einem Sommerloch zu sprechen fiele im Bereich der Kultur schon seit langen Jahren niemandem mehr ein. Die Zeiten, in denen ein Staatsoper- direktor, wie weiland Gustav Mahler, in der vielmonatigen Sommerpause abendfüllende Symphonien aufs Papier brachte, sind wohl endgültig vergangen. Manchmal erscheint es dem Betrachter unserer Musiklandschaft, als ob diese aus einer Aneinanderreihung von Festivals, Veranstaltungsreihen und Musiktagen bestünde. Dass Musik und Kunst Zuhörer und Interessierte auch als Touristen für die jeweilige Hotellerie anzulocken vermag, darüber gab nicht erst jüngst Mortiers bittere Bilanz der Salzburger Verhältnisse beredtes Zeugnis.

Von einem Sommerloch zu sprechen fiele im Bereich der Kultur schon seit langen Jahren niemandem mehr ein. Die Zeiten, in denen ein Staatsoper- direktor, wie weiland Gustav Mahler, in der vielmonatigen Sommerpause abendfüllende Symphonien aufs Papier brachte, sind wohl endgültig vergangen. Manchmal erscheint es dem Betrachter unserer Musiklandschaft, als ob diese aus einer Aneinanderreihung von Festivals, Veranstaltungsreihen und Musiktagen bestünde. Dass Musik und Kunst Zuhörer und Interessierte auch als Touristen für die jeweilige Hotellerie anzulocken vermag, darüber gab nicht erst jüngst Mortiers bittere Bilanz der Salzburger Verhältnisse beredtes Zeugnis.Seit aber die Musik und damit die Kultur überhaupt in wirtschaftliche Erklärungszwänge getrieben wird, ist es wahrscheinlich unumgänglich – zumindest verbale – Rentabilitätskreide zu fressen. Die immer wieder totgesagte Kultur, gerne versehen mit der pejorativen Vorsilbe „Hoch“, lebt, allen andersklingenden Aussagen zum Trotz, mit und vom Publikum, und dieses strömte im Jahr 2001 in Oper und Sommerkonzert, wie in beinahe keinem anderen Jahr. Was die finanzielle Situation der jeweiligen Festspiele betrifft, so tut eine differenzierende Betrachtungsweise Not: wer ist der jeweilige Geldgeber? Wie viel muss (soll) eingespielt werden? Alle diese Fragen zu stellen und auch zu beantworten, haben sich die Veranstalter selbst zum Ziel gesetzt. So lud der designierte Intendant der Salzburger Festspiele, Peter Ruzicka, Verantwortliche aus Politik und Kultur zum Kissinger Sommer, um sich mit der Fragestellung „Kulturpolitik des Bundes im vereinigten Europa“ auseinander zu setzen. Natürlich stand die Bundeskulturstiftung beim Vertreter des dafür in Bayern zuständigen Ministers nicht hoch im Kurs, gleichwohl musste auch Herr Mihatsch zugestehen, dass mit Nida-Rümelin ein für die kulturellen Anliegen sensibler Mann ins Kanzleramt geholt worden ist. Der scheidende Bonner Kulturdezernent, sich durchaus der Abhängigkeit von Berliner Geldtöpfen bewusst, verwies auf die Notwendigkeit, im öffentlichen Diskurs zu bestehen: wenn Kultur zur Chefsache erklärt wird, kann dies nur nützlich sein.

Alle Kulturpolitik, ob im Bund oder in Europa, ist jedoch vergebene Liebesmüh ohne das Eigentliche, das Gestalterisch-Schöpferische der Performation. Und da bot der Kissinger Sommer in diesem Jahr wieder eine Mischung aus musikalischem Wohlklang und neugierig machender Vieltönigkeit. So gelang es dem österreichischen Pianisten Markus Hinterhäuser, der auch für das anspruchsvolle Zeitfluss-Programm neuer Musik der Salzburger Festspiele verantwortlich ist, mit den sechs Klaviersonaten der scheuen Russin Galina Ustvolskaja, auf eine Urheberpersönlichkeit aufmerksam zu machen, die in ihrer unbarmherzigen künstlerischen Kompromisslosigkeit wie ein erratischer Felsen die russische Musiklandschaft beherrscht. Ustvolskaja, 1919 im damaligen Petrograd geboren, hat sich sehr intensiv mit dem Klavier auseinder gesetzt. Als Schülerin von Schostakowitsch kam ihre erste Komposition, ein Klavierkonzert aus dem Jahre 1946, erst in den späten 60er-Jahren nach Europa. Ihr Œuvre, das nach einem musikalischen Autodafé nicht mehr als zwei Dutzend Werke zählt, ist geprägt vom Hang zu extremen Klangpositionen, enorm leisen und dann auch wieder ffff-Stellen. Hinterhäuser gelang die exzeptionell schwierige Herausarbeitung der musikalischen Klangsprache und trug damit zu einer Verbreiterung von Publikumserfahrungen bei.

Neuland ganz anderer Art betrat die Bayerische Staatsoper im diesjährigen Sommer. In der Auseinandersetzung mit der Thematik „Mythos“ beschäftigte man sich mit Hector Berlioz’ „Les Troyens“ und der Monteverdi Oper „Il Ritorno d’Ulisse in Patria“. Es mag an Zufälligkeiten der Spielplanung oder kulturellen Moderichtungen liegen, dass manche Werke der Literatur jahrelang eine Art Dornröschendasein führen und dann auf einmal im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen. So geschehen mit Berlioz’ Trojanern, die erst im vergangenen Jahr in Salzburg zu hören waren. Das sechsstündige Riesenepos wurde zu Lebzeiten des Komponisten niemals vollständig aufgeführt, und es bleibt das Verdienst von Collin Davis, Ende der 60er-Jahre erfolgreich Geburtshelfer gespielt zu haben.

In München verpflichtete man den ehemaligen Leiter des Glyndebourne Festival für die Inszenierung, am Pult des Bayerischen Staatsorchesters stand wiederum Zubin Mehta, der die über zehn solistischen Akteure sicher durch das musikalische Gewässer zu leiten wusste. Die Leuchtsterne der Festspieleröffnung waren sicherlich die beiden Protagonistinnen Deborah Polaski als trojanische Prinzessin Chassandre und die vielfach umjubelte Didon von Waltraud Meier. Dass die Regie sich vielfach auf die Abbildung des Geschehens beschränkte und insbesondere für die Balletteinlagen keine schlüssigen Konzepte vorzuweisen hatte, schmälerte zwar den Eindruck des Ganzen, mag aber die Leistung des gesamten Hauses für diese fundamentale Repertoireerweiterung nicht zu beeinträchtigen.

Mit „Il Ritorno d’Ulisse in Patria“ schließt sich der Kreis der in München bereits in Szene gesetzten Monteverdi- Opern „Orfeo“ und „L’incoronazione di Poppea“. Odysseus’ Rückkehr spiegelt die andere Seite des Troja-Mythos, und bei dem bewährten Duo Ivor Bolton (Musikalische Leitung) und David Alden (Regie) konnte man sicher sein, dass eine unkonventionelle Deutung mythologischer Zusammenhänge Platz greifen würde. Wenn sich am Ende des fast vierstündigen Abends auch ein wenig eine visuelle Ermüdung eingestellt haben sollte, so lag dies nicht zuletzt an der bilderreiche Ausdeutung und grell-vordergründigen Aktualisierung des Werkes. Neben Rodney Gilfry (Ulisse) war es die ganz gegen ihr Schicksal ansingende Penelope einer Vivica Genaux, die der sparsam rekonstruierten Bühnenfassung musikalischen Halt vermittelte.

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