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Musikfabrik Orwohaus wird ausgezeichnet

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Probenbühne für 600 Künstler - Berliner Orwohaus entwickelt sich zu einem einzigartigen Musikprojekt in Europa


Berlin (ddp-bln). Laute Bass- und Schlagzeugtöne dröhnen aus dem offenen Fenster eines Berliner Plattenbaus. In einem Raum des Gebäudes probt die Hardcoreband Human Animals. Doch kein Nachbar fühlt sich von dem Lärm belästigt. Denn die Musiker spielen in einem Probenraum in der Musikfabrik Orwohaus, einem Industriegebäude aus den 70er Jahren im Plattenbaubezirk Marzahn. Die Abgeschiedenheit und die Möglichkeit, 24 Stunden lang zu musizieren, ohne Anwohner zu stören, sei ein Vorteil dieses «europaweit einzigartigen Musikprojekts», sagt Joachim Wanitschek vom Verein Musikfabrik Orwohaus.

Das Projekt wird am Freitag im Bundeswettbewerb «Land der Ideen» unter Schirmherrschaft von Bundespräsident Horst Köhler als beispielhaft ausgezeichnet. Die Auszeichnung bestätige, dass man auf
dem richtigen Weg sei, sagt Wanitschek. Die Orwohaus-Mieter feiern die Ehrung mit einem Festival unter dem Motto «Klang der Ideen».

Es ist nicht leicht für junge Musiker in Berlin, einen Probenraum dieser Art zu finden. Im Orwohaus, das bis zur Wende dem gleichnamigen ostdeutschen Filmehersteller gehörte, bekommen sie einen Raum und Strom. «Alles andere machen sie selbst», berichtet Wanitschek. Die Warmmiete sei mit sechs Euro pro Quadratmeter gering.

«Die Musikfabrik ist kein kommerzielles, sondern ein soziales Projekt», sagt Wanitschek. Alle Künstler leisteten freiwillig Sozialstunden für den Wachdienst sowie Reinigungs- und Renovierungsarbeiten. «Das sind im Gegenwert rund 77 000 Euro im Jahr», erklärt Wanitschek. Seit Beginn dieses Jahres ist das Projekt nicht mehr in den roten Zahlen, sondern finanziert sich über die Mieteinnahmen.

Im Frühjahr 2004 hatte das Projekt noch vor dem Aus gestanden. Damals wurden vom Bauamt Brandschutzmängel festgestellt. Daraufhin kündigte der Eigentümer, die Treuhandliegenschaftsgesellschaft (TLG), allen Mietern. Zu diesem Zeitpunkt hatten dort etwa 400 Musiker einen Ort zum Proben gefunden. Nach Protesten, dem Engagement der Senatskulturverwaltung und prominenter Unterstützung durch Udo Lindenberg unterzeichnete der eigens gegründete Verein Orwohaus im April 2005 einen Kaufvertrag mit der TLG in Höhe von 150 000 Euro.

Seit Anfang 2006 ist der mehrstöckige Plattenbau mit einer Fläche von rund 4500 Quadratmetern nach Wanitscheks Worten voll belegt. Derzeit proben 600 Musiker dort. Darunter sind bekannte Künstler wie Jeanette Biedermann und die Band Silbermond. 60 weitere Interessenten stehen auf einer Warteliste.

Gerade in Ballungsgebieten sei es schwierig, geeignete Probenräume zu finden, sagt Johann-Friedrich Brockdorff vom Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft. «Daher sind solche Initiativen, die künstlerischen Nachwuchs fördern, zu begrüßen», betont er.

Im Juni erhielt das Projekt aus Lottomitteln eine Million Euro. Mit dem Geld soll das Gebäude ausgebaut und saniert werden. In den kommenden Jahren soll es sich als kulturelle Plattform etablieren und Platz für 800 Musiker bieten.

Carla Willer

http://www.orwohaus.de