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(nmz) Geschickt greift Musikrats-Insolvenzverwalter Ludger Westrick in seiner Außenargumentation das Wort von Kulturstaatsministerin Christina Weiß auf, der Reformdruck auf den Musikrat müsse erhöht werden (wir berichteten im KIZ am 19. 12. 02). Wer Westricks „Reformen“ nicht zustimmt, ist ein rückwärtsgewandter Blockierer. Allerdings ergeben sich aus dem bisherigen Westrick´schen „Sanierungs“-Verhalten einige allgemeine und konkrete Fragen, (die Sie, liebe KIZ-Besucher, gern ergänzen mögen):
1.) Beim Deutschen Musikrat handelt es sich um einen eingetragenen Verein mit demokratischen Strukturen. Um ein Organ unserer demokratischen Zivilgesellschaft. Der Insolvenzverwalter hatte im nmz-Interview selbst klargestellt, dass diese Strukturen wirksam seien, lediglich finanzielle Entscheidungen oblägen ihm. Allerdings hat Westrick tief in demokratische Entscheidungen des Präsidiums und der Generalversammlung eingegriffen. So erfolgte die Bestellung des Generalsekretärs Thomas Rietschel durch das demokratisch gewählte und von der letzten Generalversammlung entlastete und damit bestätigte Präsidium. Dieses Präsidium wurde nach eigenem Bekunden zur Entlassung Rietschels nicht befragt. Ist also ein demokratisch strukturierter Verein und seine Organe im Insolvenzfall rechtlich betrachtet ein Raum, in dem die Demokratie außer Kraft gesetzt ist oder den monetär orientierten Beschlüssen des Insolvenz-Verwalters untergeordnet?2.) Warum setzt sich das amtierende Präsidium des Deutschen Musikrates gegen einen derartigen Eingriff in seine Kompetenzen nur sehr matt in einer Presseerklärung zur Wehr, obwohl es Thomas Rietschel unlängst das volle Vertrauen ausgesprochen hat? Warum nutzt es keine juristischen Möglichkeiten, seine Beschlüsse durchzusetzen?
3.) Warum beschädigt der Vizepräsident des Musikrates, Dr. Eckart Lange, in einem dpa-Interview die Person Thomas Rietschels weiter, indem er als Grund für die (ohnehin rechtsunwirksame – siehe nächste Frage) fristlose E-mail-Kündigung Rietschels einen angeblich unabgesprochenen Weihnachtsurlaub „präsentiert“?
4.) Unter http://www.arbeitsrecht.de/abisz/faq/kuendigungsschreiben.htm findet sich folgender Satz:
"Seit dem 01.05.2000 muss eine Kündigung schriftlich erfolgen und die Unterschrift des Kündigenden enthalten. Einer Email fehlt die Unterschrift und gilt demnach nicht als rechtswirksames Kündigungsschreiben." Ist diese Regelung dem Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Westrick nicht bekannt gewesen? Weshalb diese – rechtlich offensichtlich unerhebliche - Kündigungs-Hektik? Gibt’s auch da ein Kompetenz-Problem?
5.) Am Vortag der Kündigung sprach die demokratisch strukturierte Konferenz der Landesmusikräte in Weimar Thomas Rietschel einstimmig ihr Vertrauen aus. Ist auch diese demokratische Entscheidung eines Organs des Musikrates für den Insolvenzverwalter unerheblich?
6.) Warum entwickelt der Insolvenzverwalter bei der Entwicklung einer neuen Satzung (obwohl die laut eigenem Bekunden Westrick eher weniger angeht, vielmehr Sache des Vereins und seiner Organe ist) offensichtlich ein höheres Tempo als bei der Klärung der Finanzen? Wozu diese Satzungs-Hektik? Warum liegt bis jetzt keine einigermaßen aussagekräftige Schuldensumme vor?
7.) Warum bestellt der Insolvenzverwalter (was die personelle Ausstattung betrifft auch auf Zuruf der Mitarbeiter des Musikrates) zur Satzungsgestaltung ein „Kompetenzteam“, in dem zahlreiche Mitgliedsverbände des Musikrates sich personell nicht vertreten sehen dürften?
8.) Hat der Insolvenzverwalter die offenbar mit hohem Aufwand betriebene Gestaltung eines Haustarifvertrages für den Musikrat mit den Zuschussgebern (z. B. Bundesministerien) abgesprochen? (Bislang galt die Verordnung, dass Bundeszuschüsse nur an Institutionen gehen können, die sich dem BAT anschließen).
Soweit ein erstes kleines Fragen-Paket. Wir harren der Beantwortung – und werden – nach Veröffentlichung des Westrick´schen Satzungsentwurfes sicher noch ein paar Fragen nachzureichen haben.
P.S.: Dass man der nmz in Sachen Musikrat Reformunwilligkeit nachsagen könnte, widerlegt unser Dossier „Chronik einer Demontage“ http://www.nmz.de/nmz/netznmz/musikrat.shtml einigermaßen. Da muß man sich halt mal durchbeißen.