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Auch die Frankfurter Rundschau widmet sich der verfahren Situation beim Deutschen Musikrat. Andreas Bomba kommt dabei zu einer äußerst kritischen Bewertung der Situation: "Spendenaktion, Insolvenzplan und die nächste Gläubigerversammlung: Zur Situation des finanziell angeschlagenen Deutschen Musikrates (Von Andreas Bomba)" - und ein Verweis auf "Kulturzeit" auf 3sat.
Gäbe es nicht den Schülerwettbewerb "Jugend musiziert", das Bundesjugendorchester, den Deutschen Musikwettbewerb und die Bundesauswahl junger Künstler, dann wäre wohl so manches Konzert in deutschen Sälen nicht erklungen. Ferner dokumentiert und befeuert die "Edition zeitgenössische Musik" die Neue Musik, der Deutsche Chorwettbewerb die Chöre, während das Musik-Informationszentrum und der Musik-Almanach der Öffentlichkeit Daten und Fakten über das Musikleben bereitstellen.Dies sind nur einige Beispiele aus der Arbeit des Deutschen Musikrates. Die 1953 gegründete Organisation ist gewichtige Lobby und zugleich Förderer des Musiklebens. Eigentlich wollte sie in diesem Jahr ihren fünfzigsten Geburtstag feiern. Ob der rote Teppich wieder eingerollt, der Bundespräsident ausgeladen und das Buffet abbestellt wird, entscheidet jedoch der Insolvenzverwalter.
Die Krise des Musikrates war wohl schon in Gang, als 1998 Marlene Wartenberg, nicht die erste Wahl bei der Suche nach einer Nachfolge des zum Leiter des Beethoven-Hauses bestellten Andreas Eckhardt, das Amt der Generalsekretärin antrat. Sie bekam die interne Struktur nicht in den Griff und scheiterte nicht zuletzt an der Durchführung des Kernprojekts "Hauptsache Musik", mit dem das ehrenamtlich tätige Präsidium, lange vor PISA, Politik und Öffentlichkeit auf die Notwendigkeit ästhetischer Erziehung aufmerksam machen wollte.
Auch in der Personalführung wirkte ihre Arbeit nicht motivierend. Es schlichen sich Fehler in der Haushaltsführung ein. Nicht persönliche Bereicherung wird der Verwaltung des Musikrates vorgeworfen, sondern Mangel im Controlling, in Projektabrechnungen und im Umgang mit Zuwendungsgeldern. Die Projekte des Musikrats finanzieren sich nämlich im wesentlichen nicht aus Beiträgen der über 200 Mitglieder bzw. Mitgliedsverbände, die immerhin acht Millionen Menschen in Deutschland repräsentieren, sondern aus öffentlichen Zuwendungen, hier nach den Vorgaben der so genannten Fehlbedarfsfinanzierung. Der widersinnige Effekt dieses Prinzips: Wer Sponsoren einwirbt, gewinnt nicht, sondern verliert Geld.
Lasten und Altlasten
Im Sommer vergangenen Jahres wurde Thomas Rietschel zum Generalsekretär berufen. Er hatte sich als Geschäftsführer der "Jeunesses musicales" einen Namen gemacht, vor allem aber in der Frage, wie ein Musikleben der Zukunft aussehen könnte. Er wurde von vielen als kreativer, verbandserfahrener und musikpolitisch denkender Kopf gesehen. Ob er aber auch wusste, worauf er sich einließ? Sogleich sah sich Rietschel Altlasten, vor allem in Form von Rückzahlungsforderungen des Bundes gegenüber, die sich mittlerweile auf etwa eine Million Euro beziffern.
Die hätten im Vorfeld mit den durchaus willigen Geldgebern erörtert werden müssen, konnten nun aber, einmal auf den Verwaltungsweg gebracht, ebensowenig zurückgenommen wie vom Musikrat erfüllt werden. Denn die Zuwendungen sollen ja die Projekte finanzieren und nicht als Tilgung zurück in die ministerialen Töpfe fließen. Um sich ihrerseits gegen Attacken des Rechnungshofes wegen Verschwendung von Steuergeldern zu wappnen, drängten die beteiligten Bundesministerien den Musikrat in die Insolvenz, verbunden mit der Zusage, danach so zu verfahren, als sei nichts gewesen. Für bessere Strukturen und sachbezogene Arbeit stand der allseits anerkannte neue Generalsekretär. Allerdings entwickelten auch einige Geldgeber Gelüste, den Musikrat, einen Verein bürgerlichen Rechts, politisch gefügig machen zu wollen.
Trotz verzweifelter Appelle und spontaner Rettungsaktionen seitens der Mitglieder auf der Generalversammlung Ende Oktober in Berlin musste der Weg in die Insolvenz beschritten werden. Nun aber trat der vom Amtsgericht bestellte Insolvenzverwalter auf den Plan. Ludger Westrick beteuerte zwar, den Musikrat und seine Projekte erhalten und sich vor allem um die finanzielle Abwicklung bemühen zu wollen. Anstatt den Generalsekretär in seiner sachbezogenen Argumentation zu unterstützen und sich um die Gläubiger zu kümmern, riss der Bonner Rechtsanwalt urplötzlich die Macht an sich. Drei Tage vor Weihnachten entließ er Rietschel frist- und formlos und stellte eine neue, zu beschließende Satzung des Musikrates ins Internet. Mit dieser Nacht- und Nebelaktion hebelte er die demokratische Struktur des Deutschen Musikrates aus. Die Öffentlichkeit wurde durch angekündigte und wieder abgesagte Pressekonferenzen an der Nase herumgeführt. Im Kasernenhofton (nachzulesen im Internet auf der Homepage der Neuen Musikzeitung http://www.nmz.de) kommandierte er die Mitarbeiter der Bonner Geschäftsstelle, die entlassen bzw. eine Änderungskündigung erhalten werden.
Juristische Schlammschlachten
Endlich solidarisierte sich am vergangenen Wochenende das Präsidium mit dem Generalsekretär und trat geschlossen zurück, nachdem Präsident Franz Müller-Heuser schon im November, um einen Neuaufbau zu ermöglichen, sein Amt zur Verfügung gestellt hatte und nur noch kommissarisch versah. Westrick behauptet nun, die Situation rasch bereinigt, die Projekte und das Engagement der an ihnen beteiligten 65 000 ehrenamtlichen Mitarbeiter sowie den Haushalt 2003 gesichert zu haben. Tatsächlich stehen organisatorische und vor allem juristische Schlammschlachten ins Haus. Allen Ernstes will Westrick im Musikrats-Präsidium nur noch Präsidenten der Landesmusikräte sehen, was die Musikverbände, den Kern des Musikrats, jeglichen Einflusses beraubte.
Drei Geschäftsführer für die Bereiche Projekte, Musikinformation und Politikberatung sowie Kaufmännisches sollen den Generalsekretär ersetzen - wohl ein Rat des willkürlich zusammengestellten Kompetenzteams, im dem auch durchaus gezielte Interessen vertreten werden. Die Erfahrung lehrt, wie rasch die argumentative Schlagkraft der Institution in internen Kompetenzstreitigkeiten versinken kann. Gut unterrichtete Kreise sprechen von einem "Amoklauf des Insolvenzverwalters" und kolportieren Erfahrungen mit der besonders zähen, sprich: honorarfördernden Amtsführung Westricks sowie mobbingartigen Umgangsformen.
Seit gestern streut Westrick jedoch auch wieder etwas Hoffnung. Obwohl die Kosten für das Jahr 2003 noch nicht gedeckt seien, kündigte er an, dass zunächst alle laufenden Projekte fortgesetzt werden. Da das finanzielle Problem des Musikrates mit einem Darlehn nicht gelöst werden könne, solle die Entschuldung durch eine Spendenaktion erreicht werden. Bis zur voraussichtlich Mitte März organisierten Gläubigerverammlung werde ein Insolvenzplan ausgearbeitet, der die Schuldenlast schrittweise abbauen solle. Zur dauerhaften Sicherung seien strukturelle Änderungen notwendig, um die Arbeit des Musikrates transparenter zu machen.
Quelle: Frankfurter Rundschau
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Nachtrag:
In der Sendung "Kulturzeit" auf 3sat am 14.1.2003 ging es ebenfalls um die Situation des Deutschen Musikrates. Das Manuskript der Einspielung können Sie hier finden.