neue musikzeitung: Sind Kulturberater nicht häufig verkappte Insolvenzverwalter/Sparkommissare?
Peter Gartiser: Die Kostensenkungsprogramme haben längst alle Orchester und Theater zum Teil schmerzhaft über sich ergehen lassen, da ist nicht mehr viel zu holen. Als „Insolvenzverwalter oder Sparkommissar“ spielen wir deshalb keine Rolle, schon gar nicht als „verkappte“. Und eine Insolvenzverwaltung setzt das Erklären der Zahlungsunfähigkeit voraus – da sind eher die Wirtschaftsprüfer gefordert.
Metrum will mit seiner Beratung Institutionen in die Lage versetzen, mehr Kunst machen zu können. Sich so zu organisieren, dass sie über mehr Eigeneinnahmen und Programm-Mittel verfügen. Nicht wenigen Institutionen sind durch zu hohe (fixe) Personal- und Betriebskosten die Hände gebunden, um anspruchsvolle Programme zu realisieren. Diese Programme sind die Kernleistung einer Kulturinstitution – das, was beim Publikum sichtbar (oder hörbar) wird.
nmz: Was spricht für externe KB? Was spricht dagegen?
Gartiser:Externe Kulturberater können objektivieren und eine oft verfahrene Situation durch Daten- und Faktenerhebung auf eine neutrale Ausgangsbasis stellen. Voraussetzung ist, dass alle Beteiligten diese Ausgangsbasis akzeptieren und zulassen, dass sie Grundlage von neuen Überlegungen wird. Externe KBs können sich in den künstlerischen und wirtschaftlichen Betrieb hineindenken und Konflikte moderieren. Sie sollen neue Ansätze und Konzepte entwickeln und die Beteiligten dabei mitnehmen.
Gegen KBs spricht, wenn sie sich instrumentalisieren lassen: als Werkzeug des Trägers oder eines egomanischen Intendanten. Gegen sie spricht auch, wenn sie Evaluierungen oberflächlich und fachlich ungeeignet durchführen und ihrer Verantwortung, letztendlich die Kultur zu stärken, nicht gerecht werden.
nmz: Ist die Macht der Kulturberater nicht zu groß geworden? Muss nicht die Kulturpolitik wieder stärker eigene Kompetenzen entwickeln?
Gartiser: Die Macht der Kulturberater ist gering, weil sie keine Entscheidungen treffen. Sie sind Entscheidungs-Vorbereiter und schöpfen ihren Einfluss aus der Qualität ihrer Arbeit und Argumentation. Da in den Beratungs-Prozess gewöhnlich alle Interessengruppen – Träger, Intendanz, Gremien, Mitarbeiter und Personalrat – eingebunden sind, werden die Beratungsergebnisse entsprechend kritisch von allen Vertretern beäugt. Dabei kann man es nicht immer allen recht machen, aber ein kluger Kulturberater weiß, dass seine Projektergebnisse der Institution insgesamt dienen müssen. Diese Haltung ist die einzige Macht, die er hat, und sie rechtfertigt auch seinen Einsatz.
Die Kulturpolitik – oder besser: die Kulturverwaltung – führt und kontrolliert ihre Institutionen enger als in den vergangenen Dekaden, weil sie zunehmend unter den Rechtfertigungsdruck gerät, ihre Ausgaben vor der breiten Öffentlichkeit zu vertreten. Heute setzt sie schwerpunktmäßig zwei Kompetenzen ein: die Budgetkontrolle und die Besetzung von (künstlerischen) Schlüsselpositionen. Sie könnte in weitere Kompetenzfelder investieren: in innovatives Kosten-Leistungs-Controlling, modernes Führungs- und Organisations-Wissen, Prozessoptimierung betrieblicher Abläufe, Vermarktung, Public Relations, Ticketing, Pricing, Kundenbindungs-Systeme, IT und Big Data, Fundraising, Sponsoring, Recruiting und strategisches Know How. Die Orchester und Theater würden sich freuen, denn da liegt in Zukunft der Bedarf.