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«Notwendiger Kulturwandel» - Muschg-Nachfolger wird Anfang Februar gewählt - Gerz empfiehlt «kurze Auszeit» der Akademie der Künste
Berlin (ddp-bln). Der Nachfolger für den zurückgetretenen Präsidenten der Berliner Akademie der Künste (AdK), Adolf Muschg, wird voraussichtlich bereits Anfang 2006 gewählt. Die nächste Mitgliederversammlung der Akademie werde vorgezogen, vermutlich auf Anfang Februar, sagte AdK-Vizepräsident Matthias Flügge. Turnusgemäß wäre die Versammlung erst im April abgehalten worden. Der in Paris lebende Künstler Jochen Gerz, der 2003 neben Muschg zur Wahl als Präsident stand, empfahl der Akademie «eine kurze Auszeit».
Der Schweizer Schriftsteller Muschg hatte am Donnerstag seinen Rücktritt als Akademie-Präsident erklärt. Grund für diese Entscheidung seien «unüberbrückbare Differenzen mit dem Senat der Akademie». Der vom Senat vorgelegte Satzungsentwurf zu den Aufgaben der Akademie widerspreche «fundamental dem Konzept einer handlungs- und zukunftsfähigen Institution von überregionaler Bedeutung».
Flügge sagte, laut Satzung könne nur die Mitgliederversammlung den Rücktritt des Präsidenten entgegennehmen. Bis dahin bleibe Muschg nominell im Amt. Er bedauerte den Rücktritt, «weil uns das Akademie-Gesetz, das nächstes Jahr in Kraft tritt, weitgehende Reformmöglichkeiten zur Überwindung der reinen Sektions-Orientierung eröffnet». Künftig hätte der Präsident mit vier nicht mehr aus den Sektionen, sondern direkt von der Mitgliederversammlung gewählten Akademie-Senatsmitgliedern «ein hochqualifiziertes Team zur Seite, das sektionsübergreifend tätig werden kann - genau das, was Adolf Muschg möchte».
Der Vizepräsident kritisierte zugleich, Muschg habe zu wenig für seine Vision geworben und den kompletten Unwillen der Abteilungen konstatiert. «Er glaubte offenbar, wenn er nur oft genug die Öffnung zum Interdisziplinären betone, werde sie schon stattfinden», fügte er hinzu. Er dagegen sei der Meinung, dass man die Akademie «vom notwendigen Kulturwandel überzeugen muss».
Gerz warf der Akademie vor, zu sehr auf die Rolle des Präsidenten zugespitzt zu sein. Sie müsse sich jedoch entscheiden, ob es «hübsche Treppenreden» oder «einen programmatischen Neuanfang» geben solle. Die «rein symbolischen Handlungen» müssten abgeschafft werden. «Die Akademie braucht eine kurze Auszeit - die wahrscheinlich niemandem auffallen würde -, um sich zu orientieren», betonte er. Das Problem der Institution sei ihre Berlinlastigkeit. Sie müsse urbaner werden und ein europäisches Kulturorgan sein.
Claudia Stäuble und Nadine Emmerich