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Rostocks Volkstheater bald ohne Musiksparte?

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(nmz - bl) Die Rostocker Bürgerschaft wird morgen (17.10.) über den Haushalt 2008 der Hansestadt beraten. Danach sollen die städtischen Zuwendungen an das Theater von derzeit 7,8 Millionen Euro auf 6,6 im kommenden Jahr und auf 4,8 Millionen Euro von 2009 an gekürzt werden. Dies bedeutet eine Kürzung von 4 Millionen Euro gegenüber dem Zuschuss im Jahre 2005. Zur Beratung steht zudem die Überführung in eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH) an.

Laut Generalintendant und Operndirektor Steffen Piontek bedeutet die Kürzung für 2008 den Wegfall eines großen Teils der Premieren, vieler Konzerte und fast aller Sonderveranstaltungen. Von 2009 an sei nur noch der Betrieb der Schauspielsparte möglich, Musiktheater, Ballett und die Norddeutsche Philharmonie müssten ihre Tätigkeit einstellen. In einem offenen Brief hat der Intendant deshalb die Bevölkerung um Hilfe gebeten. Die Freunde des Theaters sollten sich mit Anrufen, Briefen, Postkarten und E-Mails an die Abgeordneten der Bürgerschaft sowie an den Oberbürgermeister wenden.

Oberbürgermeister Roland Methling sieht in der Aktion Pionteks, die er als Kampagne bezeichnet, einen Vertrauensbruch und eine Verletzung der Loyalitätspflicht: „Ich sehe keine Basis mehr für eine konstruktive Zusammenarbeit und werde daher mit den Fraktionen der Bürgerschaft konsequente arbeitsrechtliche Schritte diskutieren“.

Der Deutsche Bühnenverein, Landesverband Sachsen, zeigt sich mit Steffen Piontek solidarisch und schrieb seinerseits einen offenen Brief an Oberbürgermeister Roland Methling:


Betr.: Zuschussabsenkung für das Volkstheater Rostock

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,


Rostock teilt den Ehrennamen „Hansestadt“ u. a. mit Hamburg, Bremen und Lübeck. Dieses mit Stolz sogar auf KfZ-Kennzeichen vorangestellte Attribut ist nicht nur Zeichen eines ehemals mächtigen Bundes, sondern auch eines, das den Stolz der Bürgerschaft auf die küstennahe Weltoffenheit manifestiert. Zu dieser gehört allemal die Kultur, auch weil man als maritimes Tor zum Kulturland Deutschland die ob dieser Qualität und Vielfalt staunende Welt empfangen darf. Dass Kultur keine lästige Subventionspflicht ist, sondern die Chance für Investitionen durch diesbezügliche in die Kunstförderung bietet, wird dem genau rechnenden Hanseaten jedes seriöse Wirtschaftsprüfungsinstitut u. a. mit dem überzeugenden Zauberwort „Umwegrentabilität“ bestätigen. Aber dieses Nachweises braucht es nicht, denn die Hansestadt Hamburg macht es mit dem bürgerschaftlich getragenen Bau der Elb-Philharmonie gerade vor – und das auf der Grundlage eines schon jetzt vorbildlichen Musik- und Theaterlebens in höchster (und damit auch teurer) Qualität.

Wir sehen in dem von dem in der deutschen Theaterwelt hochgeschätzten Generalintendanten und Operndirektor Steffen Piontek an uns gesandten Hilferuf ein mehr als legitimes Mittel, das kulturbewusste Deutschland zu alarmieren, dass an der Ostseeküste ein Kahlschlag geplant ist, der die Region in Schande stürzen wird und jener Unkultur die Türe öffnen kann, die uns alle noch viel teurer kommt als der Erhalt eines Zentrums, das nicht nur ein Hort der Kunst, des Schönen und des Guten, sondern auch einer der Vernunft und des Humanismus ist.

Ihre unglaublichen Sparpläne würden – im Falle ähnlicher kommunaler Kulturfeindlichkeit - jeden Intendanten in vergleichbarer Weise auf die Palme bringen, denn die Aufgabe von Theaterleitern ist der Erhalt der Basis für freie und verantwortungsvolle Kunstausübung.

Für uns als sächsische Theater und Orchester, die das Glück eines Kulturraumgesetzes, das Kultur als kommunale Pflichtaufgabe festschreibt, zu schätzen wissen und trotzdem mit Vehemenz um dessen Garantie und Progression kämpfen, ist es schmerzlich, dass sich wieder einmal aus einem neuen Bundesland die unglaublichen Nachrichten der kommunalen Kulturfeindlichkeit gen Westen und Süden ausbreiten.

Unsere ganze Solidarität gilt dem Generalintendanten Steffen Piontek für seinen legitimen Kampf gegen einen unfassbaren Plan, der den sicheren Tod eines Theaters bedeuten würde, das der großen Tradition der Stadt im Norden zukommt. Wenn Sie für Ihre Stadt ein Theater wollen, in dem weder konzertante oder musikdramatische Angebote entstehen, dann sollten Sie das auch deutlich Ihren Wählern sagen und sich gleich auf die Sympathie jener einrichten, denen Kultur schon immer ein Dorn im Auge war und die Ihnen mit Sicherheit Beifall klatschen, auf den Demokraten mit aller Kraft verzichten sollten. Die schlagen Ihnen auch gleich noch weitere Sparmöglichkeiten vor, zum Beispiel das lästige Schauspiel abzubauen, das ihnen ohnehin ein Dorn im Auge sein muss.

Die Tatsache, dass Herrn Piontek Illoyalität vorgeworfen wird, ist unfassbar, denn angesichts der Kürzungsdrohungen kann man doch nur von Illoyalität der Kommune gegenüber dem Theater sprechen, die scharf zu attackieren die Pflicht eines jeden Verantwortungsträgers für die Kultur in einem Gemeinwesen ist, auch wenn sich die Stadt dieser zu entziehen droht.

Wir fordern Sie auf, nicht nur die Sparpläne zu zerreißen, um dadurch die Kultur Ihrer Stadt vor tiefem Fall zu bewahren, sondern ihr im Gegenteil eine sichere Perspektive zu geben, in der sie sich entfalten kann.

Wir wünschen Herrn Piontek ein kräftiges Toi Toi Toi für sein Ringen und Ihnen Besinnung oder im erhofften Falle Ihrer Einsicht Kraft zu deren Durchsetzung.


Im Namen der sächsischen Theater und Orchester

Dietrich Kunze
Vorsitzender

Dr. Karl-Hans Möller
Geschäftsführer

Dresden, 15.10.2007