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Strukturreform im „Club der Intellektuellen“?

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Handeln im Verborgenen +++ Akademie der Künste kam vor einem Jahr in die Trägerschaft des Bundes +++ Neuer Präsident gesucht +++ Muschg will Strukturreform des Hauses anmahnen

Berlin (ddp). Mit der Übernahme der Akademie der Künste in Berlin in seine Trägerschaft Anfang 2005 verband der Bund große Erwartungen: «Repräsentation des Gesamtstaates auf dem Gebiet der Kunst und Kultur» lautete der hohe Anspruch. Außerdem erwartete er sich fachkundige Beratung durch die Institution, schließlich gehören ihr gut 370 honorige Künstlerpersönlichkeiten an. Die Bedeutung der Akademie wurde mit einem Neubau an symbolträchtigem Platz neben dem Brandenburger Tor noch unterstrichen. Und schließlich fließen aus dem Steuertopf jährlich 18 Millionen Euro in den Club der Intellektuellen.

Nach fast einem Jahr Handeln im Verborgenen machte die Akademie im Dezember zum ersten Mal lautstark auf sich aufmerksam: mit dem Rücktritt ihres Präsidenten Adolf Muschg. Am Freitag und Samstag nun treffen sich die Mitglieder zu einer außerordentlichen Versammlung. Dort wird Muschg offiziell seinen Rücktritt erklären und eine Strukturreform des Hauses anmahnen sowie von seinen «unüberbrückbaren Differenzen mit dem Senat der Akademie» berichten. Ob schon auf dieser Versammlung ein neuer Präsident gewählt wird, ist derzeit völlig offen. Nur die Mitglieder selbst können darüber bestimmen. «Die nächste Möglichkeit zur Neuwahl böte die ordentliche Mitgliederversammlung im Mai», sagt eine Sprecherin der Akademie.

Der Dramatiker Rolf Hochhuth, selbst Akademiemitglied, ist nicht glücklich über die Rolle, die der Club im öffentlichen Leben spielt. «Sie könnte sich viel mehr einmischen und ist dazu laut Satzung eigentlich auch verpflichtet», sagt er. Doch innerhalb der Akademie werde nicht gesprochen, es werde nur verordnet. «Kulturpolitisch Wichtiges oder auch nur Veranstaltungen von überregionalem Interesse sind aus dieser Akademie lange nicht zu vermelden gewesen», beklagt sich auch die «Süddeutsche Zeitung».

Der Deutsche Kulturrat appelliert an die Akademie, jetzt rasch ihre Aufgaben für die Zukunft zu klären und künftig stärker nach außen zu wirken. «Durch die Übernahme des Bundes hat die Akademie an Bedeutung gewonnen. Es gibt gestiegene Erwartungen», sagt der Geschäftsführer des Kulturrates, Olaf Zimmermann. Mit ihrem Umzug an den Pariser Platz habe sie sich in die erste Reihe gesetzt. Und dort müsse man entsprechend mitspielen. «Die Akademie ist kein autistischer, sondern ein öffentlicher Club», sagt Zimmermann. Ihre Aufgabe sei eine gesamtdeutsche und auch internationale.

Der in Paris lebende Künstler Jochen Gerz, der 2003 neben dem Schweizer Schriftsteller Muschg als Präsident zur Wahl stand, empfiehlt der Akademie einen programmatischen Neuanfang. Das Problem der Institution sei ihre Berlinlastigkeit, sagt er.

Mit dem Bundestagsbeschluss trat der Bund im Februar 2005 an die Stelle der bisherigen, von den Ländern Brandenburg und Berlin getragenen Akademie. Bereits 2004 hatte er die finanzielle Verantwortung übernommen. Die Akademie setzt die Tradition der 1696 in Preußen gegründeten Akademie der Künste fort. Die Stadt Berlin war froh, diesen «Kostenfresser» los zu sein und versprach dafür, die drei Opern der Hauptstadt weiter zu betreiben.

Angelika Rausch