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Theater statt Bundeswehr - Junge Menschen engagieren sich für Kultur

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Statt zur Bundeswehr zu gehen oder ihren Zivildienst in einer sozialen Einrichtung abzuleisten, entscheidet sich eine Vielzahl junger Leute in Deutschland für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) Kultur.

Bundesweit leisten derzeit rund 22 000 junge Menschen einen freiwilligen Einsatz für Umwelt, Sport, Denkmalpflege, soziale Einrichtungen oder Kultur. In kulturellen Einrichtungen sind deutschlandweit 480 FSJler eingesetzt. Allein in Nordrhein-Westfalen sind es 45. Die Nachfrage ist jedoch zehnmal so groß. Nach Angaben der Düsseldorfer Staatskanzlei soll deshalb bis zum Jahr 2009/2010 die Zahl der Einsatzstellen auf 100 erhöht werden.


Ein Beispiel aus NRW:
Bochum (ddp-nrw). «Die Probe beginnt - Schauspieler bitte alle auf die Bühne», schallt es aus dem kleinen Lautsprecher neben der Zimmertür. Inzwischen haben sich Marco Barsda und Dominik Buch an derlei Durchsagen gewöhnt. Während ihre Mitschüler bei der Bundeswehr durch den Schlamm robben, als Zivildienstleistende alten Menschen das Essen bringen oder bereits ein Studium begonnen haben, sitzen die beiden in einem kleinen Zimmer im Bochumer Schauspielhaus. Ein Jahr lang wird dies ihr Arbeitsplatz sein, denn sie haben sich für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) beim dortigen Jungen Schauspiel entschieden.
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Einmal «hinter die Kulissen» eines großen Theaters zu schauen, das war der Wunsch der beiden passionierten Freizeit-Schauspieler. Seit August beantworten sie nun täglich E-Mails, nehmen Anmeldungen zu Theaterworkshops entgegen und sammeln Presseausschnitte über das Schauspielhaus. Doch auch das künstlerische Ausprobieren kommt nicht zu kurz. «Derzeit arbeite ich an einem Theaterprojekt für Hauptschüler mit», berichtet Dominik. Bis zum Ende ihres sozialen Jahres wollen Marco und er zudem ein eigenes Stück auf die Bühne bringen.

«Für uns sind die FSJler unverzichtbare Arbeitskräfte», gibt Sandra Anklam, die Theaterpädagogin des Jungen Schauspielhauses, zu. Gerade in Zeiten leerer Kassen kommen die jungen Leute, die gerade einmal ein Taschengeld in Höhe von 280 Euro monatlich für ihren Einsatz erhalten, wie gerufen. Doch auch die jungen Leute würden von ihrem freiwilligen Engagement profitieren, betont Anklam. Bisher hätten alle FSJler nach dem Jahr gewusst, ob ihnen die Arbeit an einem Theater liege. «Und selbst wenn sie feststellten: ´Am Theater will ich nie arbeiten´, dann ist das auch eine wichtige Erkenntnis», sagt Anklam. Zumindest sei es allemal besser, nach einem Jahr zu dieser Einsicht zu kommen als nach einem fünfjährigen Studium.

Das sehen Marco und Dominik ähnlich. «Das große Geld können wir hier nicht verdienen», sagt Marco. «Aber ich bin froh, dass ich jetzt eine einjährige Orientierungsphase habe.» Und auch für Dominik wäre ein sofortiger Studienbeginn keine Alternative gewesen. «Selbst wenn ich ausgemustert worden wäre, hätte ich das FSJ Kultur gemacht», sagt der 19-Jährige und schiebt hinterher: «Ich hatte noch keine Lust, ein Studium anzufangen und eventuell eine Aufnahmeprüfung dafür abzulegen. Erst einmal wollte ich etwas für mich machen.»

Ihre Entscheidung für das freiwillige Engagement im Schauspielhaus haben Marco und Dominik bislang nicht bereut. «Es ist interessant zu sehen, welche Berufe es gibt, von denen ich vorher gar nichts wusste», sagt Marco und Dominik fügt hinzu: «Hier können wir vieles ausprobieren, ohne das FSJ hätten wir diese Möglichkeit wahrscheinlich nicht.» Auch wenn sie wohl nicht an einem Theater arbeiten möchten, steht für die beiden deshalb bereits jetzt fest: Für ein FSJ in der Kultur würden sie sich jederzeit wieder entscheiden.