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US-Medien: Propaganda des Pentagon im Visier

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(orf) "Die Wahrheit ist das erste Opfer des Krieges", frei nach diesem Motto hatte das US-Verteidigungsministerium - natürlich im Geheimen - eine Desinformationskampagne geplant.

Das "Büro für Strategische Information", möglicherweise so benannt von einem aufmerksamen Leser von George Orwells Buch "1984", wollte im 21. Jahrhundert Freund und Feind der USA gezielt mit anonym lancierten Falsch-Informationen verwirren - zum Nutzen der medialen Kriegsführung. Doch die US-Medien waren schneller:
Die für investigativen Journalismus bekannte New York Times deckte die Pläne am vergangenen Dienstag in einer Titelgeschichte auf.

Offensive gegen Hussein-Propaganda

Das "Büro für Strategische Information" (Office for Strategic Information, O.S.I.) sollte die Medien im Ausland, im Nahen Osten und Asien, aber auch in Europa, mit Informationen und Falschinformationen füttern. Die Verfasser wollten aber im Dunkeln bleiben. Leiter des millionenschweren Projekts ist der Luftwaffengeneral Simon P. Wordon, als Consulting-Firma wurde die Rendon-Group, ehemals Polit-Berater von Ex-Präsident Jimmy Carter, engagiert. Ziel ist etwa ein wirksames Gegenkonzept zur aktuellen "Charme-Offensive" des irakischen Diktators Saddam Hussein. Offiziell sind die Pläne für die "psychologischen Operationen" (psyops) noch nicht genehmigt worden, berichtete die Times. Verteidigungsminister Donald Rumsfeld lasse die Vorhaben gerade von der Rechtsabteilung prüfen.

Wahre Nachricht über Falschmeldungen

Seitdem kommt das Verteidigungsministerium immer mehr in die Defensive - zumindest medial: Nicht nur empörte Journalisten, auch Spitzenpolitiker wie der ehemalige Verteidigungsminister William Cohen haben sich öffentlich von den Plänen des Pentagon distanziert. Im Kampf gegen den Terrorismus gehe es um eine gerechte Sache, warum müsse man da lügen, fragte Cohen seinen Nachfolger Rumsfeld provokativ im CNN-Interview. Auch innerhalb des Pentagon sind die Pläne offenbar heftig umstritten. Anders ist das "Leck" nicht zu erklären, durch das die wahre Nachricht über die geplanten Falschmeldungen von Washington bis zur "New York Times" durchsickerte.

Historische Vergleiche

Der Aufschrei auf den Kommentar-Seiten der seriösen Zeitungen gegen den leichtfertigen Umgang mit der Wahrheit reißt jedenfalls nicht mehr ab. Obwohl Verteidigungsminister Rumsfeld umgehend meinte, man wolle niemanden anlügen, und zur Rechtfertigung der Pläne sogar historische Vergleiche mit der Geheimhaltung der Invasion der Alliierten im Zweiten Weltkrieg bemühte, wurde sein Ministerium umgehend zum neuen Ziel massiven Medien-Spotts. "Wenigstens bekommen wir dann - fiktive - Informationen, anstatt dass wie jetzt die - echte - Information verheimlicht wird", bemerkte etwa ein verbitterter Journalist.

Nordkorea als Vorbild?

Die cleveren Strategen des Pentagon hätten sich bei der jüngsten Asien-Reise von US-Präsident George W. Bush vom nahen Nordkorea Tips für die Medienarbeit holen können, witzelt der Südkorea-Korrespondent der "New York Times". Ein gutes Vorbild für gezielte Desinformation könnte die Nordkoreanische Nachrichtenagentur sein, die regelmäßig überschwänglich über die großartigen Begabungen und wundersamen Verdienste des Herrschers Kim Jong Il berichtet - eine dezente Anspielung auf die manchmal geringgeschätzten intellektuellen Fähigkeiten des US-Präsidenten?

Karikaturisten bringen den neuen Skandal mit wenigen Strichen auf den Punkt. So zeigt in der Washington Post ein General des O.S.I. dem anderen stolz seine Auszeichnungen auf der breiten Brust, die er für die Siege in den Propaganda-Schlachten gegen die Journalisten gewonnen hat: "Das bekam ich fürs Anlügen der Times, das fürs Anlügen der Post, und das Große da ist für die Lüge im Kabel-Fernsehen
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