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Berlin (ddp-bln). Der Ost-Berliner Schriftsteller Christoph Hein verzichtet überraschend auf die Intendanz des Deutschen Theaters (DT) in der Bundeshauptstadt. Der 60-Jährige begründete seinen Rückzug am Mittwoch mit «massiven Vorverurteilungen» seiner Person und einem «vergifteten, feindseligen Klima».
Kultursenator Thomas Flierl (PDS), der sich von Hein die Wiederbelebung des Hauses in der Reinhardtstraße als führende deutsche Bühne versprochen hatte, bedauerte die Entscheidung. Die Opposition wirft dem PDS-Politiker dagegen erneut Versagen vor. Hein sollte die Leitung des Theaters im Herbst 2006 übernehmen, nachdem der Vertrag von Amtsinhaber Bernd Wilms nicht verlängert worden war.Er sei an einem von den Medien geschürten «geistigen Klima» gescheitert, in dem schon lange vor Amtsantritt über seine Arbeit ein «vernichtendes Resümee» gezogen worden sei, sagte Hein. Er habe gehofft, dass es ihm 15 Jahre nach dem Ende der deutschen Teilung gelingen würde, das DT «nicht als ein ostdeutsches oder westdeutsches zu führen, sondern als ein deutsches Theater, als ein Theater mit einem hervorragenden Schauspielerensemble». Aus Sorge um eine mögliche Beschädigung ihrer eigenen künstlerischen Arbeit hätten inzwischen einige Theaterleute ihre Zusage zu einer Zusammenarbeit zurückgezogen. Namen wollte er aus Respekt vor den Künstlern nicht nennen.
Neben dem «Mediengewitter» beklagte Hein die ablehnende Haltung des «Vereins der Freunde und Förderer des Deutschen Theaters». Sein Gesprächsangebot sei «leider» ausgeschlagen worden. Stattdessen habe der Verein «massiv und öffentlich» gegen ihn Stellung bezogen. Schließlich ließen die aufgrund der angespannten Haushaltslage Berlins unumgänglichen Kürzungen und Einschränkungen es nicht zu, «die Intendanz seriös vorzubereiten und zu beginnen». Er gebe deshalb «aus Sorge um dieses Haus den erteilten Auftrag an den Senat» zurück.
Flierl, der gemeinsam mit Hein am selben Tag eigentlich den bereits ausgehandelten Vertrag unterzeichnen wollte, zollte dem Schritt Respekt. Er habe zwar erwartet, dass die Berufung eines Schriftstellers, Dramatikers und Intellektuellen zum DT-Intendanten Kontroversen auslöse. Die Heftigkeit der Auseinandersetzungen - insbesondere vor dem Hintergrund der ostdeutschen Herkunft Heins - habe ihn jedoch «überrascht und entsetzt», räumte der PDS-Politiker ein.
Als «großen Fehler» bezeichnete es Hein, nicht auf sich selbst gehört zu haben. Er habe lange über das Angebot nachgedacht und sei zu der Überzeugung gelangt, dass man es nach 15 Jahren deutscher Einheit versuchen könnte. Zwei Monate lang habe er dann versucht, eine Mannschaft zusammenzustellen. Er habe gehofft, dass sich die «Hysterie» lege. Flierl bescheinigte Hein, sich «mit Enthusiasmus und Elan» auf seine neue Aufgabe vorbereitet zu haben. Eigene Fehler bei der Personalentscheidung bestritt er.
Der Kultursenator hat inzwischen eine Findungskommission von Kulturpolitikern und Theatermachern aus Ost und West berufen, die ihn bei der Suche nach einem neuen Kandidaten beraten soll. Die Kriterien für die Auswahl wolle das Gremium, das im Januar erstmals zusammenkomme, gemeinsam erarbeiten, betonte Flierl. Ungeachtet dessen werde es «keine leichte Aufgabe», zumal die Debatte um Hein dabei eine Rolle spielen werde. Der Rückzug Heins von der Intendanz reiht sich nach Darstellung von Grünen-Kulturexpertin Alice Ströver «nahtlos in die verfehlte Personalpolitik» Flierls ein. Erneut gestalte sich die Suche nach einem geeigneten Kandidaten für eine der renommiertesten Kultureinrichtungen der Stadt zu einer «Provinzposse». Durch ein «ungeschicktes Besetzungsverfahren» werde das Ansehen Berlins als Kulturstadt «unnötig beschädigt», kritisierte CDU-Kulturexpertin Monika Grütters. Sie fügte hinzu: «Der Politregisseur Flierl sollte anfangen, sich langsam zu überlegen, ob er nicht selbst die Fehlbesetzung in diesem Polittheater ist.»