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Wertewandel - Die Hochkultur hat ihr Monopol verloren

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Das Kulturverständnis der Deutschen befindet sich offenbar in einem grundlegenden Wandel. Kultur hat heute viele Gesichter und schließt auch populäre Unterhaltungsangebote wie Kino, Musicals und Rock-Pop-Konzerte mit ein.

Hamburg (ddp-nrd). Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Untersuchung des BAT Freizeit-Forschungsinstituts, die Institutsleiter Horst W. Opaschowski am Montag in Hamburg vorstellte. «Zur Kultur gehören heute Klassisches und Modernes, Ernstes und Unterhaltsames», sagte Opaschowski. Zum Bildungsanspruch geselle sich zunehmend der Unterhaltungswert. Für die Studie im Auftrag der Hamburger Kulturbehörde wurden bundesweit 1000 Personen sowie zusätzlich in Hamburg 500 Einwohner befragt.

Lediglich die ältere Generation der über 65-Jährigen poche nach wie vor darauf, dass nur klassische Angebote wie Oper, Konzert, Theater, Ballett oder Museumsausstellungen als Kultur anzuerkennen seien. 48 Prozent der Befragten in dieser Altersgruppe meinten, Kultur könne kein Unterhaltungsmedium und Massenvergnügen sein. Dagegen wandten sich 29 Prozent der Gesamtbevölkerung gegen diesen engen Kulturbegriff.

«Das Volk der Dichter und Denker verabschiedet sich mehrheitlich von der überkommenen kulturellen Ordnung, nach der die Hochkultur wertvoller ist als die Massenkultur», sagte Opaschowski. Dieser Wertewandel habe sich bereits in einer Freizeitstudie des Instituts vor zehn Jahren angedeutet. «Kultur macht Spaß und darf auch unterhalten», sagte der Pädagogikprofessor. Elite und Masse seien in der Kulturlandschaft von heute keine Gegensätze mehr, weil beide inzwischen Massencharakter bekommen hätten.

Das Kulturverständnis der Bevölkerung habe sich geändert, seitdem auch hochkulturelle Ereignisse geradezu massenhaft angeboten würden und zunehmend Eventcharakter bekämen. «Tenöre singen in Fußballstadien und Popkonzerte finden in Kirchen statt», sagte Opaschowski. Damit sei das in Deutschland gebräuchliche Begriffspaar E(ernste) und U(Unterhaltungs)-Kultur überholt. Über 78 Prozent der jüngeren Generation bis zu 34 Jahren wollten Kultur in diesem Sinne verstanden wissen. «Das neue Kulturverständnis ist eine Verschmelzung von Ernst und Unterhaltung, von Kunst und Kommerz», sagte Opaschowski.

Im Wettbewerb um die größte kulturelle Attraktivität haben laut Studie vier Städte in Deutschland die Nase vorn: Berlin (71 Prozent), München (46 Prozent), Hamburg (41 Prozent) und Dresden (40 Prozent). Sie zählen nach Meinung der Bevölkerung zu den «führenden Kulturmetropolen in Deutschland». Mit großem Abstand folgen Leipzig (20 Prozent), Köln (18 Prozent), Weimar (17 Prozent), Stuttgart (15 Prozent), Frankfurt (15 Prozent) und Hannover (6 Prozent)