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Gedanken über Gartenkonzerte

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Vor 100 Jahren
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In den letzten Wochen leitete ich einige Instrumental-Gartenkonzerte und wurde dadurch aufs neue angeregt und bestärkt zur längst geplanten Auslassung meiner persönlichen Ansichten über derartige Unternehmungen. Liest man Programme der üblichen Gartenkonzerte, so könnte man auf den Gedanken kommen, als sei das Verlangen nach guter, bildender und fördernder Musik nur für den Winter vorhanden, während der „Musikhunger“ unseres Publikums im Sommer nur durch ein Konglomerat von Märschen, Potpourris, Fantasien, Tänzen, Posaunen-, Xylophon- und besonders Pistonsoli zu stillen sei.

Und dazu bietet man den Hörern, die doch in kleineren und mittleren Städten auch das Winter-Konzertpublikum bilden, solchen Mischmasch lediglich mit „Pauken und Trompeten“. Eine Streichmusik im Garten kann man suchen wie eine Stecknadel. Dabei gibt es in unserer reichen Musikliteratur eine große Reihe herrlicher Sachen, die sich auch zum Vortrag im Freien, im Garten eignen. Ich wüßte z.B. nicht, warum nicht eine der frühlingsschwangeren, blütenduftenden Symphonien Haydns auch im Garten wirken sollte. Besser jedenfalls als ein mit Tsching-Tara ausgeschmücktes Potpourri. Ja, wenn wenigstens alle diese Potpourris künstlerische Gebilde wären, Gebilde, die nicht Bruchstücke, halbe Melodien und gräßliche Modulationen bringen, sondern Buketts mit ganzen Ausschnitten aus den betreffenden Opern, kunstverständig aneinandergereihte Opernteilen. […] Leider dienen die Gartenkonzerte, wie sie sich bisher gestalten, nicht oder nur sehr wenig der „Kunst“, sondern in erster Linie dem Wirt und dem Sinnenkitzel des Gartenpublikums, der Unterhaltung und – Gott sei‘s geklagt – dem poussierbummel promenierender Ehepräparanden. […]

Bruno Leipold, Neue Musik-Zeitung, 41. Jg., 23. September 1920

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