Tolle Neuigkeiten: Wie die Gesellschaft für Konsumforschung meldet, befinden sich die Deutschen im Kaufrausch. Das „Barometer fürs Verbraucherklima im November kletterte um 0,2 Punkte“. Damit befindet sich die bundesrepublikanische Konsumlaune auf einem Fünfjahreshoch – und zu Weihnachten wird kräftig geprasst – jubilieren eintönig „Spiegel“, „Focus“ und „Welt“. „Die Bundesbürger haben mehr Geld in der Tasche, und geben es großzügig aus“ – summiert n-tv.
Die Bundesbürger? Soeben hat die Fachgruppe Musik der ver.di Ergebnisse einer aktuellen Umfrage zur Einkommens-Situation und den Arbeitsbedingungen von Musikschul-Lehrkräften und Privatmusiklehrern vorgestellt. (Die Detail-Ergebnisse können unter www.musik.verdi.de abgerufen werden. Autorin Anja Bossen wird das aufschluss- und faktenreiche Zahlenmaterial in der kommenden nmz kommentieren. Anlässlich seiner D-A-CH-Tagung beschäftigen sich auch die Seiten des Deutschen Tonkünstler-Verbandes in dieser Ausgabe mit dem Thema).
Vorweg: Am deutschen Kaufrausch können sich unsere Musikpädagogen leider nicht beteiligen. Ihre Einkommens-Situation hat sich im Vergleich zu einer ähnlichen Umfrage aus dem Jahr 2008 sogar noch verschlechtert. Aus der prekären Honorar-Lage resultiert zudem ein hohes Risiko, in Altersarmut abzustürzen. Die Zahl festangestellter Lehrkräfte ist weiter rückläufig, freie Honorare stagnieren teils seit zehn Jahren. Oft gibt es für ausgefallene Stunden oder in den Ferien gar nichts – und Musikpädagoginnen sind in nahezu allen beruflichen Belangen gegenüber ihren männlichen Kollegen benachteiligt. Aber: Ein großer Prozentsatz unterrichtet trotz dieser ökonomischen Brutalitäten engagiert und motiviert – wohl weil die Arbeit in hohem Maße Sinn stiftet.
Leider erfährt solcher Einsatz in unserer Gesellschaft wenig, ja immer weniger Akzeptanz. Musikalische Bildung braucht Kontinuität. Das gilt für die Ausbilder und die Auszubildenden gleichermaßen. Es ist ein typisches Zeitgeist-Phänomen, dass an die Stelle verlässlicher institutioneller Förderung heutzutage hektische Projektitis tritt. Da werden flott zwischendurch unter strengen und bürokratisch aufwändigen Kontrollmechanismen ein paar oder auch mal zweihundert Milliönchen wählerwirksam ausgelobt (sowas heißt dann gleisnerisch zum Beispiel: „Bündnis für Bildung“). Und die ausgedörrten Kulturschaffenden stürzen sich drauf wie Kamele aufs Oasenwasser. Dass sie damit der Politik einen Freifahrschein zum Schreddern kulturnotwendiger Kontinuitäten ausstellen, sie aus der Verantwortung für qualitätvolle Bildung künftiger Generationen entlassen, gerät unter der Wucht des „Glückes“ einer „zärtlichen“ Zuwendung in Vergessenheit. Bedroht vom süßen Projektförderungs-Gift ist unsere gesamte Kulturlandschaft, jüngst dank besonders hoher Gießkannen-Spenden aber vor allem unser Musikleben. Statt Dankes-Kniefällen für zeitlich stark begrenzte Bildungs-Pakete wäre ruppiger Protest gegen hingeworfene Futter-Brocken angebracht. Wenn es der Deutsche Musikrat schon nicht macht: Eine Aufgabe für die ver.di-Fachgruppe Musik.