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Szene aus Paul Hindemiths Kurz- oper „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Vorausschauend auf 2013, dem Jahr in dem sich Hindemiths Todestag zum 50. Mal jährt, präsentierte das Theater Bonn eine Neuinszenierung seines Einakter-Tryptichon. Foto: Thilo Beu
Szene aus Paul Hindemiths Kurz- oper „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Vorausschauend auf 2013, dem Jahr in dem sich Hindemiths Todestag zum 50. Mal jährt, präsentierte das Theater Bonn eine Neuinszenierung seines Einakter-Tryptichon. Foto: Thilo Beu
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Bürgerwille und kulturpolitische Willkür

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Wie Basisdemokratie Opernhäuser bedrohen könnte · Von Barbara Haack
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Eigentlich dachten wir, die Fronten seien geklärt: „Die da oben“, Kommunal- oder Landespolitiker, beschließen die neue Kürzungsrunde, den weiteren Spar-Etat für Stadt-, Landes- oder Staatstheater. Im günstigen Falle folgen dann von Seiten der Bürger Proteste, teils durch Petitionen und Unterschriftenlisten, teils auch durch spektakuläre Aktionen, Lichterketten, Solidaritätsdemonstrationen.

Das Theater Altenburg-Gera sammelte im Sommer über 31.000 Unterschriften im Rahmen einer Online-Petition gegen Sparzwänge, Stellenabbau und Spartenschließungen. Eine dauerhafte und für die seit vielen Jahren durch Haustarifverträge gebeutelten Mitarbeiter akzeptable Finanzierungslösung ist allerdings bis heute nicht gefunden. In Dessau hatten bereits im Jahr 2010 14.000 Menschen für den Erhalt des Anhaltischen Theaters unterschrieben. Mitten in die diesjährige Sommerpause platzte dann die überraschende Meldung einer existenzbedrohenden Kürzung – obwohl der „Kulturkonvent Sachsen-Anhalt“, der beauftragt ist, Empfehlungen zur künftigen Kulturentwicklung und Kulturförderung in Sachsen-Anhalt zu erarbeiten, seine Ergebnisse erst Anfang 2013 vorlegen wird. Ein Vorzeige-Modell als zivilgesellschaftliches Feigenblatt, um widerständige Bürger ruhig zu stellen? 

In Mecklenburg-Vorpommern schließlich waren es – bei einer Einwohnerzahl von insgesamt 1,6 Millionen – 47.000 Menschen, die sich in einer Volksinitiative zu ihren Theatern und Orchestern bekannten. Das scheint Kultusminister Matthias Brodkorb aber nicht weiter zu beeindrucken. Dieser beauftragte eine Managementberatungsgesellschaft aus München mit der Entwicklung von Modellen zur „Weiterentwicklung der Theater- und Orchesterstrukturen in Mecklenburg-Vorpommern“. Die Fleißarbeit der Agentur (präsentiert wurden gleich neun Modelle) ändert nichts am erwarteten Ergebnis: Die Theater-Kultur in dem dünn besiedelten Flächenland muss bluten. Vielleicht hätte der Minister das (vermutlich hohe) Beratungs-Honorar lieber in die Befragung seiner theater-affinen Mitbürger investiert.

Wendet man den Blick nun in den Westen der Republik, in die ehemalige Bundeshauptstadt, sollten die oben genannten Beispiele eigentlich Mut machen: Scheinen sie doch zu belegen, dass Bürgerprotest in Sachen Kultur offenbar wirkungslos bleibt. Hier in Bonn haben sich die Fronten nämlich umgekehrt. Drei Mitglieder der Piratenpartei strengen ein Bürgerbegehren an, das die Streichung der städtischen Zuschüsse für die Sparte Oper beziehungsweise Musikthe­ater ab dem 1. August 2013 sowie die Schließung des Bonner Opernhauses zum Ziel hat. Die Piratenpartei, die selbst kein Bürgerbegehren initiieren darf, steht laut eigener Webseite „voll hinter diesem Begehren“ und will es unterstützen. 

„Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik kämpfen Bürger nicht für den Erhalt einer Kultureinrichtung, sondern dagegen“, stellt der Vorsitzende des Personalrats Oper, Schauspiel und Orchester, Thomas Schröder, in einer Pressemeldung fest. Nun kann man den Piraten einiges entgegen halten. Zunächst einmal ihr eigenes Wahlprogramm, das Kultur zum „Nährboden unserer Gesellschaft“ erklärt: „Sie ist kein Bereich, in dem man leichtfertig verzockte öffentliche Gelder wieder einsparen kann, sondern sie ist absolut notwendig“, heißt es da. Bisher haben sich die Piraten nicht gerade durch fundierte Äußerungen zur Kulturpolitik hervorgetan; ihr luftblasenartiges Bekenntnis zum „kulturellen Nährboden“ ändert daran nichts. Zu fordern wäre ein Kulturkonzept, das darlegt, wie man welche Kultur zu den Menschen bringt und nicht nur, welche Kultur-Felder für überflüssig gehalten werden. Ein solches Konzept legen die Piraten nicht vor. Ihr Vorschlag ist daher nicht mehr als eine populistische Einzelaktion ohne Herz und Hirn. Er würde im Übrigen laut Auskunft der Stadt Bonn im ers­ten Jahr keinerlei Kosten einsparen, diese ließen sich erst in den darauf folgenden Jahren – langsam – absenken. Man gäbe dann bis mindestens 2018 jährlich noch zwischen 9 und 13 Millionen Euro aus: für nichts! An der angeblichen Unübersichtlichkeit dieser Kostenaufstellung üben die Piraten harsche Kritik – und kontern mit einer erst recht unübersichtlichen Gegenüberstellung eigener unausgegorener Finanzüberlegungen. 

Das klingt, als müsse man diesen überfallartigen Piratenangriff nicht recht ernst nehmen. Fakt ist aber: Lediglich 9.665 Bonner Bürger müssen das Begehren unterschreiben. Wird diese Zahl erreicht, geht es in den Stadtrat. Lehnt dieser wiederum den Antrag ab, gibt es automatisch einen Bürgerentscheid. Damit dieser im Sinne der Antragsteller erfolgreich ist, müsste die Mehrheit der abgegebenen Stimmen für die Schließung der Bonner Oper votieren, mindestens aber zehn Prozent der stimmberechtigten Einwohner. Ein erfolgreicher Bürgerentscheid wirkt wie ein Ratsbeschluss.

Im schlechtesten Fall könnten also 23.000 Bonner beschließen, das Opernhaus unwiderruflich dicht zu machen. Je nachdem, mit welchen Mitteln die Bürger-Kampagne der Piraten geführt wird, dürfen sich diese durchaus Hoffnungen auf Erfolg machen. Zu wünschen ist, dass genügend Bonner Bürgersinn diesem kulturfeindlichen Ansinnen einen Riegel vorschiebt. Ansonsten hätte eine kulturpolitisch konzeptionslose Partei geschickter auf der Klaviatur der Basisdemokratie gespielt als die Bürger in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, die einfach nur ihre Theater erhalten wollen.  

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