“From bad to worse“ antwortet David Pountney augenzwinkernd auf die Frage nach einem kurzen Resümee seiner elfjährigen Intendanz bei den Bregenzer Festspielen. Dieser typisch britische Humor kam über die Jahre gut an und prägte das ganze Haus.
Denn natürlich war es keine Entwicklung „vom Schlechten zum Schlimmeren“. Begonnen hat Pountneys Beziehung zu Bregenz schon 1989: mit der spektakulären Seebühnen-Inszenierung des „Fliegenden Holländer“, in der er und sein kongenialer Bühnenbildner Stefanos Lazaridis für die Seebühne neue Maßstäbe setzten – vergleichbar nur wie dies Harry Kupfer in Bayreuth getan hat. Zur erfolgreichen „Bregenzer Dramaturgie“ des Intendanten- Vorgängers Alfred Wopmann – „Draußen das populäre Werk anspruchsvoll spektakulär – drinnen die Opern-Orchidee“ hat der Regisseur Pountney 1993 noch einen politisch auf Saddam Hussein zielenden „Nabucco“ und 1995 einen konsumgesellschaftskritischen „Fidelio“ beigesteuert.
Diese Linie führte er dann als Intendant ab 2004 fort und akzentuierte sie zunehmend neu: noch nie zeigte das Festival so viele Raritäten, Erstaufführungen und in den letzten fünf Jahren sogar fünf Uraufführungen. Dabei blieb es nicht bei „Eintagsfliegen“, viele Werke gingen als Gastspiel und in den letzten Jahren angesichts der bekannt gewordenen Qualität als Koproduktion hinaus in die ganze Opernwelt.
In einem gelungenen „Abschiedsbuch“ bestätigen nun rund 100 Künstler und Weggefährten in Texten und durch fast 300 Fotos, dass da ein selbst Regie führender Intendant nie stilistisch und künstlerisch eng dachte: draußen Verdi und Puccini im beeindruckend vom Frauenhofer-Institut perfektionierten „BOA – Bregenz Open Acoustics“-Klangsystem; drinnen jedes Jahr ein Schwerpunkt mit einer breiten Werk-Palette - von Weill über Nielsen, Krenek, Neuwirth, Britten, Bernstein, Szymanowski, Debussy hin zu vielen zeitgenössischen Komponisten – alle in einer beeindruckenden Stil-Vielfalt ihrer szenischen Realisierungen.
Das spektakuläre „Tosca“-Bühnenbild von Johannes Leiacker bekam sogar Auszeichnungen von außerhalb der Oper: das ZDF wählte die Seetribüne als Public-Viewing-Ort für die Fußball-Europameisterschaft 2008 – ein enormer Bekanntheitsschub für den Festspielort; das weltweit nach visuellen Sensationen suchende James-Bond-Produktionsteam ließ Daniel Craig im „Tosca“-Bühnenbild und Festspielhaus nach „Ein Quantum Trost“ suchen – eine Art „Ritterschlag“ an Popularität.
Pountney geht auch ein wenig stolz: „Die größte Freude ist die Entdeckung und erste szenische Produktion von Mieczyslaw Weinbergs Musikdrama „Die Passagierin“ ab 2010, die über London nach Houston ging, jetzt Premiere in New York in Anwesenheit der 90jährigen Titelheldin Zofia Posmysz hatte, nun nach Chicago und Florida, dann nach Tel Aviv und womöglich nach Perm in Russland geht.
Wir haben inzwischen 23 Werke Weinbergs aufgeführt – einen vergessenen Komponisten der Musikwelt wiedergegeben – das hat Bregenz gemacht“. Ein Statement, in dem der Entdecker und Regisseur ohne ein „Ich“ auskommt: eben ein künstlerisch orientierter Team-Player. In der „Ära David Pountney“ haben die Bregenzer Festspiele die bisherige Festspiel-Trias Bayreuth-München-Salzburg um ein „Kraftwerk der Gefühle“ erweitert: künstlerisch vielfältiger, zu sozialeren Preisen und mit jener Prise von britischem Understatement, das gerade der vermeintlich elitären Hochkultur stetig neue Anhänger gewinnt.