Es war kalt in Halle. Die Saale fast zugefroren, die Temperaturen im zweistelligen Minusbereich. Gewohnte Begleitumstände für das Festival Woman in Jazz, das nun schon zum achten Mal jeweils Anfang Februar in den Bann zieht. Kalt war es auch in Istanbul mit ungewohntem Schneefall. Von dort war Ayse Tütüncü aufgebrochen, um am Mittwoch mit ihrem Quartett das Eröffnungskonzert in Halles Oper zu bestreiten.
Türkei und Jazz - das ist Neuland, darüber weiß man in Deutschland herzlich wenig. Zu Unrecht, wie die Pianistin aufklärt. "In meiner Heimat hören laut einer statistischen Erhebung sieben Prozent aller Menschen regelmäßig Jazz. Welches andere Land kann das bieten? Außerdem haben wir in Istanbul seit Jahren ein Festival, das mit einer ganz erklecklichen Summe von einer der größten Banken der Türkei gefördert wird und demzufolge Starbesetzung aufweisen kann", gibt Ayse Tütüncü Nachhilfeunterricht. Fast paradiesische Zustände also für die Musiker im Land an der Schnittstelle zwischen Europa und Asien. Und Ayse Türüncü gehört dort zu den umjubelten Stars, hat sogar schon Aufnahmen für das legendäre Blue Note-Label gemacht. Und sie schaffte es, die meteorologisch eisige Atmosphäre sofort aufzuklaren. "Man hatte das Gefühl, dass es sofort zehn Grad wärmer wurde", strahlte Festival-Chef Ulf Herden über seinen Glücksgriff.
Ayse Tütüncü das ist tatsächlich Musik zwichen allen Kontinenten und Stilen. Da gibt es Jiddisches, kurdische Volkstänze , den Tango in unterschiedlichsten Variationen, eine besondere Vorliebe zu Carla Bley - das alles bunt durcheinander gemixt mit einer gehörigen Portion Humor, für die vor allem die beiden Percussionisten Gökce Gürcay und Timucin Gürer sorgen. Die beiden spielen nicht nur Schlagzeug und versuchen sich auf allen denkbaren zum Knistern und Klappern geeigneten Instrumenten Marke Eigenbau, sie spielen im wahrsten Sinne des Wortes mit ihrem ganzen Körper. Mit den Fingern schnippsend, ein paar mehr oder weniger kräftige Schläge auf die Oberschenkel, rhythmisches Klatschen inbegriffen. Das Publikum lässt sich nicht lange bitten, macht schnell und begeistert mit. "Schön, euch alle zu hören", freut sich Ayse Tütüncü und: "Es hat Spaß gemacht hier." Und sie verrät dann noch, dass nicht etwa, so wie zu vermuten, Carla Bley ihr großes Vorbild ist. Nein, die Pianstin Julia Hülsmann ist es. Julia Hülsmann, die schon fast Stammgast in Halle ist und sich in diesem Jahr auch wieder in einem Workshop um talentierte junge Musikerinnen unseres Landes kümmern wird.
Der türkische Auftakt hat ebenso Appetit auf die kommenden drei Festivaltage gemacht wie der zweite Programmpunkt des Eröffnungsabends mit der israelischen Sängerin Julia Feldman. Heute geht es in Halle weiter mit der Quartett der jungen deutschen Pianistin und Sängerin Olivia Trummer und der schwedischen Sängerin Josefine Cronholm. Beginn des Konzerts in der Oper ist um 20 Uhr.
(nmz-online wird morgen darüber berichten)