An Pfingsten (24.5. und 25.5.) sollte ursprünglich eine Komposition von Maximilian Marcoll im Tiergarten Berlin aufgeführt werden. „Adhan – Tripartite Appropriation“ ist ein Stück für Carillon und Elektronik. Es geht dem Komponisten dabei unter anderem auch um die „Verständigung zwischen unterschiedlichen Kulturen“. Jetzt scheint die Aufführung gefährdet, teilweise gilt sie schon als abgesagt.
„Das Stück von Marcoll besteht aus einer Aufnahme eines Muezzins und einer Dopplung seines Gesangs durch die Glocken des Carillon. Die aktuelle Aufführungssituation beinhaltet einen Lautsprecher oben auf dem Turm – eine Konstellation, die in einem anderen kulturellen Kontext eine Tradition hat – die Rede ist vom Islam und dem Minarett. Ausgehend von der durch religiöse Kontexte aufgeladenen Aufführungssituation werden die drei Religionen symbolisch in einer Geste zu verweben.“ Ein Stück Musik im Kontext der Gesellschaft, das sein Komponist schon auch als politisch-motiviert versteht. Keine Schwierigkeiten mit der Komposition hat auch der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland. Er begrüßt die Aufführung und schreibt:
„Kunst ist eine internationale Sprache. Je nach der Melodie ihrer Sätze kann sie anecken, kann sie beleidigen, aber sie kann auch versöhnen und Verständnis stiften. Mit großem Wohlwollen und Dank sehe ich dem Stück ‚Adhan – Tripartite Appropriation‘ entgegen. Ich hoffe, es bringt Juden, Christen und Muslime in dieser stürmischen und gewaltvollen Zeit wieder näher beieinander.“(Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland [ZMD])
Soweit kein Problem. Wenn da nicht die Angst wäre, dass irgendwer auf dumme Gedanken kommt und in welcher Form auch immer sich dagegenstellt. So scheinen es bestimmte Verantwortliche im „Haus der Kulturen der Welt“ zu sehen, hier hegen sie Furcht vor dem „militanten Islamisten“. Die allgemeine Situation soll nicht dazu geeignet sein und daher soll eine Aufführung zu diesem Zeitpunkt nicht öffentlich durchführbar sein.
Wir haben uns bemüht, über die Pressestelle des „Hauses der Kulturen der Welt“ in Erfahrung zu bringen, welche konkrete Bedrohungslage hier vorliege. Die Antwort steht bislang aus. Leider kam bislang auch vom Carilloneur Jeffrey Bossin keine Antwort. [Update siehe unten]
Mit anderen Worten, statt um Schutz für diese Veranstaltung zu bitten, wälzt man etwaige Konsequenzen auf die Aufführenden ab und duckt sich weg. Nachdem die Panik erst einmal geschürt ist – und wer wäre vor was auch immer, immer sicher – geht man lieber in die Knie. Kann das die Perspektive für das Kulturleben sein?
Anders als seine Mitarbeiter, sieht es wohl der Leiter des „Hauses der Kulturen der Welt“. Der Komponist Marcoll schreibt auf der Veranstaltungsseite bei Facebook: „Er unterstützt das Projekt, scheinbar im Gegensatz zu einigen Mitarbeitern. Nun liegt der Spielball wieder im Feld des Carillons.“
Was man dabei nicht vergessen darf: Sowohl die Carillon-Konzerte wie das Haus der Kulturen der Welt werden unter anderem gefördert von den „Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH“ und der „Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien“. Das kann auch nicht in deren Sinn sein.
[UPDATE 18:30] Keine Absage
Die Pressestelle des Hauses der Kulturen der Welt hat geantwortet: Es läge ein Missverständnis vor, es gibt keine Absage. Ebenso antwortet der Musiker Jeffrey Bossin, es habe ein großes Missverständnis gegeben. Das Stück werde natürlich aufgeführt und er freue sich darauf.