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Musiker*innen des Projekts Clave de Sur. Foto: Clave de Sur

Musiker*innen des Projekts Clave de Sur. Foto: Clave de Sur.

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Durch Musik den sozialen Wandel mitanstoßen

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Deutsche „Musiker ohne Grenzen“ arbeiten seit 2005 in der ecuadorianischen Hafenstadt Guayaquil
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Der brutale Mord an einem der Präsidentschaftsbewerber, Fernando Villavicencio, nur anderthalb Wochen vor dem Urnengang Mitte August brachte die Präsidentschaftswahlen in Ecuador immer wieder in die Schlagzeilen. Die hohe Wahlbeteiligung zeigt, wie sehr die Bevölkerung hoffte, dass es der Politik endlich gelingt, das südamerikanische Land von Korruption und Bandenkrieg zu befreien und einen sozialen Wandel anzustoßen. Stand heute gehen die linke Kandidatin Luisa González und der Unternehmer Rafael Noboa in die Stichwahl. Sozialer Wandel, das ist auch eine Herausforderung für die Kultur. Aus aktuellem Anlass bringen wir ein Porträt des nunmehr seit bald zwei Jahrzehnten existierenden Vereins „Musiker ohne Grenzen“.

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In den verwinkelten Armenvierteln der ecuadorianischen Hafenstadt Guayaquil schläft das Verbrechen nie. Besonders das Problemviertel „Guasmo“ gilt als sozialer Brennpunkt. Das Hafengebiet der Millionenstadt ist Schauplatz von Gewalttaten und zentraler Umschlagplatz für Drogenlieferungen nach Europa und die Vereinig­ten Staaten. Die Stadt gilt als gefährlichste in ganz Ecuador, blutige Raubverbrechen sind an der Tagesordnung. Präsident Lasso verhängte im April diesen Jahres über Guayaquil den Ausnahmezustand.  Musik und Kultur sind für viele Kinder und Jugendliche hier also keine Priorität, denn in der Regel müssen sie versuchen, sich und ihre Familien zu schützen und Geld zu verdienen. Dabei rutschen viele selbst in die Kriminalität ab. Diesen Teufelskreis versucht eine Organisation von Musikern aus Deutschland zu unterbrechen.

Alles begann im Jahr 2005. Die Abiturientin Magdalena Abrams absolvierte einen Freiwilligendienst im „Guasmo Sur“, einem Elendsviertel am Rande der Stadt. Während ihres Aufenthalts entstand durch eine Zusammenarbeit mit der lokalen Initiative „Asociación Movimiento Mi Cometa“ eine erste Musikschule. 2008 gründete Abrams, die heute als Musikpädagogin in Hamburg arbeitet, zusammen mit einer Gruppe von Studierenden der HfMT Hamburg den Verein „Musiker ohne Grenzen“. In ihren Sommersemesterferien unterrichteten sie interessierte Menschen in Guayaquil und sammelten Instrumentenspenden. Der Verein hat es sich seither zur Aufgabe gemacht, in verschiedenen Entwicklungsländern auf der ganzen Welt Musikunterricht anzubieten. Durch das Angebot soll die Lebensrealität der Menschen in betroffenen Gebieten verbessert werden. Ihnen soll die Möglichkeit gegeben werden, sich kreativ auszuleben und somit ein Werkzeug zu erhalten, mit dem sie sich und ihre Empfindungen ausdrücken können. Auf der Website des Vereins steht zu lesen „Musik schützt nicht vor Schlägen, doch sie heilt Wunden“. Ähnliches berichtet der Dirigent und Musikpädagoge Tobias Drewelius, der 2017 acht Monate für die „Musiker ohne Grenzen“ gearbeitet hat.

Während seines Aufenthaltes konnte er viele Erfahrungen sammeln, die ihn bis heute begleiten. „Auf eine gewisse Art und Weise kann Musik Wunden heilen, auch wenn es meist keine physischen sind. Durch die Arbeit der Musiker ohne Grenzen kann vielen Menschen eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung und manchmal auch eine berufliche Perspektive gegeben werden“, erklärt er.

Viele heranwachsende Jugendliche werden in Guayaquil so von der Straße geholt. Sie tauchen in kreative Arbeit ein, anstatt sich durch die Mitgliedschaft in kriminellen Vereinigungen selbst zu schaden.  Für klassisch gebildete Musiker gibt es hier auch eigene Stilrichtungen und Spielarten zu entdecken. In Ecuador ist Musik eine körperliche Erfahrung. Viel wird sofort mit Rhythmus und Tanz in Verbindung gebracht. Vor allem Reggaeton und Trap sind feste Bestandteile der Jugendkultur. Durch die Arbeit des Vereins können Talente entdeckt und gefördert werden. „Es gibt viele Geschichten von ehemaligen Schülerinnen und Schülern, die sich durch Auftritte und Gigs sogar ihr Studium finanzieren konnten. Für jemanden, der in diesem Viertel geboren ist, stellt das eher die Ausnahme als die Regel dar“, berichtet Tobias Drewelius. Aus dem Guasmo finden immer wieder Schüler und Schülerinnen ihren Weg in ein geregeltes Leben.

Sprachhürden überwinden

Dabei ist es für alle Teilnehmer wichtig, Sprachbarrieren zu beseitigen. In Ecuador und besonders in Guayaquil sprechen die meisten stark akzentuiert, im ersten Moment eine Hürde. Drewelius berichtet: „Ich habe natürlich vorher etwas Spanisch gelernt, aber als ich ankam, wurde klar: Hier spricht man nicht das Castellano aus der Sprachschule. Alles ist sehr schnell, verwaschen und voll von Slangwörtern. Es braucht eine Zeit, um sich dort einzuhören und dann auch noch in dieser Sprache zu unterrichten“. Auch soziale Unterschiede zum Leben in Deutschland können im ersten Moment irritieren. Dass diese Erfahrungen für das Leben eines Musikers bereichernd sind, liegt auf der Hand. Immer mehr Musikerinnen und Musiker aus ganz Deutschland entscheiden sich dazu, die „Musiker ohne Grenzen“ zu unterstützen. Auch wenn das bedeutet, sich nach dem Musikstudium gegen das Konzerthaus und für einen sozialen Brennpunkt im weit entfernten Ecuador zu entscheiden.

Für Tobias Drewelius war der Auslandseinsatz eine Herzensangelegenheit: „Die Idee, einen Freiwilligendienst zu machen, ist nichts Außergewöhnliches und viele tun das direkt nach dem Abitur. Ich wollte mich sozial engagieren, aber erst dann, wenn ich Fähigkeiten habe, die ich sehr gewinnbringend einsetzen kann, damit ich einen Beitrag leiste, der über eine reine Hilfstätigkeit, bloßes anwesend sein oder noch schlimmer, über eine Art des Sozialtourismus hinausgeht“, berichtet der Dirigent. Mittlerweile haben die Musiker ohne Grenzen Projekte auf der ganzen Welt. Neben Ecuador organisiert der Verein musikalische Bildungsprogramme in Jamaika und Ghana. Auf ihrer Website erzählen sie in einem aktuellen Blogformat von ihrer Arbeit. Eindrücke, wie es sie sonst selten gibt, gelangen so nach Deutschland und Euro­pa. Das alles wird durch Partnerschaften mit Sponsoren möglich, die die Projekte unterstützen.

Heller Hoffnungsschimmer

So gelingt nun schon seit vielen Jahren ein Projekt, bei dem junge Menschen durch Musik und der damit verbundenen Gemeinschaft aus dem sozialen Abseits entkommen können. Die Arbeit der „Musiker ohne Grenzen“ ist damit neben der musikalischen auch eine Art der Therapie. Talente werden entdeckt und gefördert und das unabhängig von sozialer Herkunft oder Einkommen. In einer von Kriminalität und Armut zerrütteten Stadt ist das ein kleiner, aber heller Hoffnungsschimmer.

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