Es mutet martialisch an, wenn Choreograf und Tänzer Richard Siegal in seiner Produktion „As If Stranger“ im Halbdunkel langsam aus seinem Kabelsalat aus schweren Stromkabeln erwacht und sich im Bodentanz auf das Publikum zubewegt. Da schlüpft er in spastischen Verrenkungen auch schon mal unter die erste Sitzreihe, um unmittelbaren Kontakt zum Publikum auszuüben.
Aber bereits bevor das passiert, zeigt die schlicht als Choreografie bezeichnete Produktion, was es mit dieser multimedialen Tanzperformance auf sich hat. Denn ebenso martialisch erschüttern zu Beginn elektronische Geräusche den Raum, Siegal fuchtelt mit den Händen eine Performance an seinem Soundmischpult - sein Gesicht hinter Stoff und einer Raver-Kapuze versteckt. Zwischen dem brachialen Brummen und Zischen herrscht collagenhaft wieder Stille und Siegal klopft verstohlen mit den Fingern auf das Mikro.
Danach entfaltet das multimediale Angesicht der Produktion seine volle Wirkung. Während sich Siegal immer mehr aufrichtet und die seit kurzem in diese Performance miteinbezogene Tänzerin Camille Revol zunächst raffiniert unmerklich und dann immer auffälliger in die Szene integriert wird, hagelt es englische Zitate und Videoprojektionen, die ihre Projektionsfläche auf Wänden und Monitoren und auf dem nackten Bauch Siegals finden. Dazu interpretiert Violoncellist Wolfgang Zamastil live die Melodie von John Cages` „In a Landscape“, während die romantisch-impressionistischen Begleitfigurationen des Klaviers eingespielt werden. Danach improvisiert Zamastil einen expressiven Ausbruch, der ebenso in die Performance integriert ist wie alles, was da zu hören und zu sehen ist.
Immer wieder erklingt unter vielen anderen Einspielungen auch das Zitat „Repeating then is in everyone“ aus dem Roman „The Making of Americans“, den die us-amerikanische Schriftstellerin Gertrude Stein 1925 veröffentlichte. Zum Schluss zieht Siegal einen Stecker im Kabelsalat, die Bühne ist mit einem Schlag dunkel und auf einer Videoproduktion baut er die Buchstaben auf Englisch zum Nietzsche-Satz „Throw not away the hero in your soul“.
Keine Frage, Siegal hat sich für diese knapp einstündige Produktion viel überlegt und eine Tanzperformance-Geschichte mit einem Feuerwerk aus hochintellektuellen Gedanken gespickt. Doch die Premiere bei den diesjährigen Bregenzer Festspielen zeigte, dass gerade diese höchst-intellektuelle Herangehensweise auch ein Risiko in sich birgt. Denn der Applaus in der Werkstattbühne des Festspielhauses war trotz der ansprechenden künstlerischen Leistungen eher verhalten und manchen Gesichtern sah man die Unschlüssigkeit einer Meinung regelrecht an.
Das ist auch nicht verwunderlich. Denn inwieweit fühlt sich ein europäisches Publikum – selbst wenn es in dieser Hinsicht zielorientiert ist - bei den auf Englisch zelebrierten Zitaten eines Robert Barry oder einer Gertrude Stein so zuhause, dass es aufgrund der hier notwendigen Bewandertheit in Sachen US-Mentalität das gleiche innere Verständnis und Amüsement entwickeln kann, wie das bei einer Aufführung der Produktion in New York in der Tat der Fall war?