Die über 40 Jahre alte Theaterakademie in Hamburg verharrt in einer erheblichen räumlichen Schieflage, meinen Studierende der Studiengänge „Regie Musiktheater“ und „Dramaturgie Musiktheater“ an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Seit über drei Jahren zieht sich nun die Misere um die mehr als widrigen Bedingungen hin, so dass sich die Studierenden gezwungen sehen, an die Öffentlichkeit gehen. Ihr offener Brief im Wortlaut:
Beginnen möchten wir unser Schreiben in der Vergangenheit, genauer gesagt im Oktober 2012: In den Zeisehallen sitzen wir in einem Stuhlkreis, StudentInnnen und DozentInnen dicht an dicht und hören unsere Dekanin Frau Dhein sprechen: Von unserem geplanten Umzug aus den Zeisehallen in die „INTERIMSLÖSUNG“ Gaußstraße. „Es geht zurzeit nur noch darum, wo welche Steckdose hin soll“ sagt Frau Dhein, die Pläne des Neubaus betreffend, lächelnd. Skeptische und ängstliche Blicke werden gekonnt ignoriert. Zu diesem Zeitpunkt ist kein Vertrag für einen Neubau unterschrieben.
Dass der Umzug in die angebliche Zwischenlösung „Gaußstraße“ der Anfang vom Ende sein würde, ahnten viele bereits damals. Welche Ausmaße diese Entscheidung hat, wird nun nach drei Jahren erstmals in voller Härte deutlich. Wir, die StudentInnen des Studiengangs Regie Musiktheater der Theaterakademie der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, sehen uns nun gezwungen, unsere nicht länger haltbaren Zustände öffentlich zu machen.
Wir haben dies bereits nach dem Umzug in die Gaußstraße versucht, wobei uns deutlich gemacht wurde, dass dies in Anbetracht der Situation negative Auswirkungen auf die Neubauentscheidung haben könnte. Daraufhin stellten wir unsere Aktivitäten bzgl. der Bekanntmachung unserer Lage ein, in der Hoffnung auf einen nun beginnenden Bau der neuen Akademie.
Nach der Schließung des Forums auf Grund der Renovierungsarbeiten wird uns für unsere Studienprojekte – einschließlich der Abschlussinszenierungen – von der Hochschule bis zum jetzigen Zeitpunkt keine geeignete Spielstätte zur Verfügung gestellt. Dabei wurden wesentliche Vorschläge von unserem Prof. Herrn Albrecht Faasch, welche er frühzeitig zur Vermeidung der aktuellen Situation angebracht hatte (die „Fliegenden Bauten“ auf dem Heiligengeistfeld), nicht beachtet. Stattdessen müssen wir in verdreckten Proberäumen in der „noch Baustelle“-Hebebrandtstraße (Interimslösung der HfMT), zudem noch ohne funktionierende Sanitäranlangen proben. Und nun? Wir benötigen jetzt dringend Hilfe und Unterstützung bei der Suche nach einer geeigneten Spielstätte.
Einer Hochschule, die einen repräsentativen Anteil am kulturellen Geschehen Deutschlands haben will, sollte die Wichtigkeit unseres Fachs bewusst sein: Zum einen bietet der projektorientierte Studiengang Regie Musiktheater nicht nur den Regiestudierenden, sondern spartenübergreifend auch Gesangs-, Kompositions-, Instrumental-, Dirigier-, Design-, Medientechnik- und noch vielen weiteren Studierenden auch hochschulübergreifend die Möglichkeit, sich gemeinsam auszuprobieren und wichtige künstlerische Erfahrungen zu sammeln, auch im Hinblick auf spätere berufliche Anforderungen. Zum anderen wollen wir dieser Verantwortung gerecht werden, was in Anbetracht unzumutbarer Arbeitsbedingungen wesentlich erschwert wird.
Dass wir dennoch aufwändige Studienprojekte verwirklichen können, wird auch durch die jahrelange Vorarbeit in der Verknüpfung von Praxis und Theorie garantiert, die unser Hauptfachdozent Frank Düwel und unser Professor Albrecht Faasch geleistet haben. Unseres Erachtens nach sollte ein praxis- und projektbezogenes Studium weiterhin möglich sein, da es uns beruflich besser vorbereitet, als es ein rein theoretisches Studium jemals könnte. Außerdem ist dieses praxisbezogene Studium das Aushängeschild der Theaterakademie, wie uns die vielfach gut verkauften Vorstellungen der letzten Abschlüsse und Studienprojekte bestätigen hier seien unter anderem zu nennen: „Così fan tutte“, der Abschluss von Marcos Darbyshire, „Die arabische Nacht“ von Stefan Krautwald, bei der der Komponist Christian Jost selbst anwesend war, „Remis“, das Studienprojekt 3 von Rahel Thiel und Vendula Nováková, der Abschluss von Friederike Blum „Ariadne“, „Ab.Wesen.D“, das Studienprojekt 3 von Luise Kautz und Sebastian R. Richter und zuletzt der Abschluss von Rahel Thiel mit Benjamin Brittens „Curlew River“. Diese Veranstaltungen haben sicherlich auch zum sehr guten Renommee der Hochschule beigetragen.
Dabei ist die Situation auch für die diesjährige Sommeroper in der Inszenierung von Professor Philipp Himmelmann nicht so glanzvoll, wie sie gerne präsentiert wird. Für diese eine Produktion ist die Theaterakademie gezwungen, in eine komplett neue Spielstätte zu ziehen, dort operngerechte Bedingungen herzustellen, nur, um nach der letzten Vorstellung alles wieder abzubauen. Der damit letztendlich verbundene auch finanzielle Aufwand ist größer, als eine Spielstätte zu finden bzw. einzurichten, von der auch wir StudentInnen dauerhaft profitieren könnten. Umso dringlicher ist es nun, eine feste Spielstätte für die Übergangszeit einzurichten – für alle Musiktheaterprojekte der Hochschule, da sie spezifische Anforderungen an die Größe des Raums und an die Akustik stellen.
Der organisatorische Mehraufwand für uns Studierende, sich für den Abschluss selbst eine Spielstätte suchen zu müssen, beschneidet den Freiraum und die Bedingungen, den uns eine Hochschule bieten sollte. Studienprojekt 3 und Abschluss sind unsere Visitenkarte und eine wichtige Repräsentation, die für unseren beruflichen Einstieg existentiell notwendig ist.
Die Studienergebnisse scheinen nach außen hin glanzvoll, während innen die Basis wegbricht. Mit dem Rücktritt Prof. Albrecht Faaschs als Vorsitzendem des Prüfungsausschusses Musiktheaterregie ist die Struktur unseres Studiengangs aufgelöst und die Zukunft ungewiss.
Bedenkt man dabei die Relevanz einer Lehrinstitution für nachfolgende Generationen und ihren kulturellen Einfluss, wird deutlich, wie groß die Verantwortung der HfMT nicht zuletzt gegenüber der Stadt Hamburg ist. Hierbei muss sie von der Stadt auch deutlich unterstützt werden. Mit dem, was uns die Hochschule auch politisch vermittelt, werden wir später in den Beruf entlassen, was bedeutet, dass wir als zukünftige RegisseurInnen, die am kulturellen Geschehen teilnehmen und im Diskurs sind, durchaus Einfluss auf die Zukunft und das Renommee der Hochschule bzw. der Theaterakademie selbst haben. Trotz positiver Erfahrungen, insbesondere in unserem Hauptfach, können wir – nicht zuletzt aufgrund der prekären Raumsituation – unseren Studiengang auch StudienbewerberInnen gegenüber momentan nur eingeschränkt empfehlen.
Wir möchten dabei weiter auf die Tradition unseres Studiengangs hinweisen, der seit fast 42 Jahren existiert (nein, das 40-jährige Bestehen wurde 2013 nicht gefeiert, das war die Zeit, als wir versuchten, auf die Situation in Gauß- und den damaligen Proberäumen in der Bodenstedtstraße aufmerksam zu machen) und einige der erfolgreichsten RegisseurInnen hervorgebracht hat. Dabei ist im Rahmen des 30jährigen Jubiläums der Sammelband „Von der Zukunft einer unmöglichen Kunst – 21 Perspektiven zum Musiktheater“ von den Herausgebern Bettina Knauer und Peter Krause erschienen. Sind also unsere Tage unter dem finanziellen und kulturpolitischen Druck, unter dem die Hochschule zurzeit deutlich steht, gezählt?
Dabei sollte noch erwähnt werden, dass unser Studiengang einen besonderen Eintrag auf der Wikipedia-Seite der HfMT Hamburg hat. Vielleicht stellt das nochmal heraus, inwieweit dieser Studiengang für die Hochschule von Bedeutung sein sollte. Götz Friedrich und August Everding gründeten ihn zum ersten Mal überhaupt in Deutschland.
Neben unserer grundsätzlichen Sorge, eine vernünftige Raumsituation für Proben und Aufführungen zu schaffen, fehlt uns eindeutig eine klare Kommunikation zwischen den leitenden Kräften der Theaterakademie. Wir wünschen uns darüber hinaus ein qualifiziertes Künstlerisches Betriebsbüro, das die kommunikative Schnittstelle zwischen Dozierenden und Studierenden bildet und mit ausgebildeten Fachkräften besetzt ist. Umso wichtiger, da es sich bei der Theaterakademie um eine Institution handelt, die mit Hamburger Theater- und Opernhäusern vergleichbar ist. Dabei ist es wichtig ein Zeichen für die Förderung des künstlerischen Nachwuchses zu setzen.
Außerdem ist es absurd, dass die Regiestudierenden der MTR dafür kämpfen müssen, mit SängerInnen und SchauspielerInnen der eigenen Akademie arbeiten zu können, weil sie laut Leitung der Studiengänge noch nicht „bereit“ oder indisponibel seien. Wir wünschen uns eine optimierte Vernetzung, die einen größeren Freiraum für neue oder eigene Leitideen innerhalb der einzelnen Studiengänge erst ermöglicht. Uns als StudentInnen muss die Möglichkeit gegeben werden, selbst unsere Theatermittel und -sprachen zu finden, egal ob sie in die Freie Szene, weil deutlich experimentell, oder in die „klassische“ Opernregie münden.
Wir fordern :
- eine feste Spielstätte für Musiktheater-Produktionen
- Proberäume, in welchen ein störungsfreies Proben möglich ist
- ein qualifiziertes KBB als Schnittstelle