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Imbiss in Donaueschingen – Tag 4

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Während man sich über die unterschiedlichen Interpretationen der drei Ensembles am Vortag vortrefflich den Kopf zerbrechen kann, förderte ein Besuch bei der Basis, in der Pizzaria de Isabella, ganz substantielle PR-Defizite des Festivals zutage.

Am 19. Oktober Halbwegs ausgeschlafen nach dem gestrigen Konzertmarathon von halb zwölf bis halb sieben, nähern wir uns nun der 70-minütigen Kollektivkomposition der Studentenklasse um die Israelin Chaya Czernowin in der großen Turnhalle der Realschule.

Was war also am Samstag diese „Ensembliade“? Drei Ensembles traten an, das E. intercontemporain, das E. Modern und das Klangform Wien, mit teilweise identischen Werken in einem einzigen Konzertereignis neben- bzw. nacheinander zu musizieren. Frappierend war die Erkenntnis, wie unterschiedlich ein und dasselbe Stück erscheinen konnte.

„Sabbia“ von Aureliano Cattaneo im ersten Konzertabschnitt erklang zunächst unter der Leitung Susanne Mälkkis durch das Pariser Ensemble intercontemporain. Als dasselbe Werk eine Stunde später zum zweiten Mal kam, diesmal unter der Leitung Emilio Pomáricos durch das Klangform Wien, wäre leicht glauben gewesen, es handele sich um eine völlig andere Komposition. Erst markante Klangdetails wie die Zungenstöße der Tuba (eine super Sache!) oder die Windmaschine (eine peinliche Sache!) machten dem Hörer klar, dass das Stück doch schon vor kaum einer Stunde gehört worden war. – Welche Schlüsse zieht man daraus für „gewöhnliche“ Uraufführungssituation? Welche Triftigkeit haben erste Höreindrücke? Und wie viel Verlass ist auf äußerste Präzision des Notentexts, wenn drei spezialisierte Virtuosenensembles so unterschiedliche Resultate produzieren?

Klarer Favorit des Abends war der Debütant Eduardo Moguillansky mit „Cire perdue“, aufgeführt durchs Klangforum Wien unter der Leitung Emilio Pomáricos. Moguillansky bediente keinerlei ordinario-Spieltechniken, zwei Spielerinnen hantierten an Megafonen, alles sehr subtil im Satz und gering im dynamischen Level. Obgleich der expressive Ausbruch ganz und gar ausblieb und die Stimmung des Werks dadurch bisweilen bedrückend geriet, darf „Cire perdue“ als spannendster und aufregendster Beitrag des gesamten Konzerttages gelten.

Welches Ensemble beim informellen Wettbewerben das Gold verdient hätte, ließ sich nicht klären. Einzelne Studierende präferierten das Ensemble Modern ob des „besten Bühnenoutfits“, das dessen Klarinettistin Nina Janßen wohl trug. Aber ob der Wettkampf fair lief, war aufgrund ausbleibender Dopingtests nicht sicher sagen.

Nach dem langen Konzerttag war zur SWR-Jazzsession niemand mehr zu bewegen, man genoss für Stunden Bier und Wein beim Pasta- und Pizzahändler „de Isabella“ in der Villinger Straße. Dann: plötzliches Interesse der Kellnerschaft an unserem Interesse für die Neue Musik. Müllwagen und Rinderzungen, davon habe man gehört, ob wir auch so komponierten. Natürlich nicht. Aber Gast Ingebert war kompromisslos, für ihn sei „das alles Krach“. Die italienische Kellnerin konstatierte, „mer habe halt net Musik studiert“. Das mag jeden Musikpädagogen Zucken machen. Aber die Donaueschinger Musiktage im Spannungsfeld von Rinderzungen und Müllwagen? Was – um die Lieblingsvokal des Bahn-Magazins zu bemühen – kommunizieren die Veranstalter mit diesen Happenings nur bloß?

Großes Hallo also wieder um Herrn Feiler auch am Sonntag, als nach dem ersten mittaglichen Konzerttermin ein Konvoi eines Spielmannszugs, der von drei Müllwagen gerahmt ward, durch die Straßen sich bewegte. Ein großes Orchesterkonzert am Nachmittag weiterhin begann mit Werken der Komponisten Ben Johnston und Brice Pauset; die zweite Konzerthälfte bestritt einzig und allein Emmanuel Nunes’ spannende, aber mit 50 Minuten und ohne Gesang und dergleichen allzu lange Opernauskopplung „Mort et vie de la mort“. Auch den Festivalabschluss um 18.30 Uhr gestaltete Feiler: Das Klangform Wien spielte verstärkt mit elektronischen Musikelementen, dem zur Seite gestellt war ein weiteres Mal besagte Donaueschinger Kapelle erstens, ein Müllwagen (der teilweise seinen Motor anstellte) mit verstärktem Bariton im Führerhaus zweitens. Ohrenstöpsel hatten die Veranstalter präventiv auf jeden Publikumsplatz gelegt. Immerhin: endlich buhte mal jemand in Donaueschingen. Der Anlass jedenfalls war gegeben.

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